Christian Knieps: CERN

Mein Mann und ich sind unterwegs zum CERN. Er will da unbedingt hin, während ich nur dabei bin, damit er nicht allein fahren muss. Dafür hat er mir versprochen, beim nächsten Besuch bei meiner Mutter dabei zu sein, denn wenn er dabei ist, ist meine Mutter meistens die Freundlichkeit in Person.
Auf dem Weg zum CERN bekomme ich eine Zusammenfassung seines Wissens, das ich kaum bewerten kann, weil ich weniger als die Hälfte verstehe. Nach den ersten Fragen lasse ich auch das Fragen sein, weil ich merke, wie angespannt er wird, wenn ich zeige, dass ich so gar keine Ahnung von dem Ganzen habe.
Als wir endlich ankommen, freue ich mich auf etwas Bewegung. Wir treten in das Eingangsgebäude und treffen andere Teilnehmer der heutigen Führung. Auf den ersten Blick erkenne ich, dass es nur eine potentielle Leidensgenossin gibt, doch sie ist so gekleidet, dass sie auch Physikerin sein könnte. Also ist Vorsicht geboten.
Die Führung beginnt. Der Mann, der uns Einblick in das Wunderwerk der Technik gibt, ist mir in seiner leicht verpeilten Art direkt sympathisch. Meinen Mann nervt sein nasaler Tonfall. Wir werden durch das Gebäude geführt, die meisten, die den Eindruck machen, dass sie wissen, was hier geschieht, wirken von der Führung gelangweilt. Ich hingegen finde sie sehr interessant, da sie nur wenig Wissen voraussetzt. Zudem spüre ich, wie der Vortragende eine Begeisterung für diese Forschungseinrichtung versprüht, wie es Männer normalerweise nur für ihren Fußballverein machen.
Als sich die Führung zum Ende neigt, bin ich positiv überrascht, während mein Mann mir schon verraten hat, dass das hier pure Zeitverschwendung für ihn sei. In den Gesichtern der anderen Teilnehmer sehe ich eine ähnliche Meinung, auch in dem Gesicht der einen Frau, von der ich nicht erahnen konnte, mit welchem Wissenstand sie hier angereist ist. Zum Glück habe ich mit ihr kein einziges Wort gewechselt.
Die Führung wird beendet und es gibt zurückhaltenden Applaus. Schnell gehen alle auseinander, nur ich trete an den Wissenschaftler heran und sage ihm, dass mir seine Führung sehr gefallen hat, wenn ich nicht sogar begeistert davon bin. Wir kommen ins Gespräch und ich vergesse meinen Mann, der irgendwo im Verkaufsladen nach Fachliteratur sucht, von der er wohl kaum etwas verstehen wird. Hauptsache, er zeigt, wie sehr er in dem Thema drin steckt. Nach außen, versteht sich.
Wir beide hingegen machen uns über die Besucher lustig. Ich kann offen zugeben, dass ich nicht mal alles das verstanden habe, was der Wissenschaftler uns erklärt hat, aber er ist sich sicher, dass die anderen Besucher auch nicht mehr verstanden haben, es nur nicht zugeben wollen.
Auf dem Nachhauseweg schweigen mein Mann und ich lange, bis er äußert, wie enttäuscht er von dem Besuch ist. Ich überlege kurz, ob ich ihm die Wahrheit sage, doch ich weiß auch, dass er noch weitere solche Besuche in seinem Kopf hat. Und so entscheide ich mich zu einem nichtssagenden Geräusch, das bei ihm als Bestätigung ankommt.

Ferenc Liebig : Die Wirklichkeit in kleinen Teilen

Man würde mich in die Berge schicken, dort, so sagte man, habe man eine neue Methode entwickelt, Prozesse des Unsichtbaren sichtbar zu machen. Ein gewisser Professor Beringer hatte erst vor kurzem eine Abhandlung geschrieben, in der es hieß, man könne nun in die Welt der Moleküle hineinschauen, Anregung und metastabile Zustände definieren. Sein Fazit lautete, ab jetzt bliebe nichts mehr im Verborgenen. Die Geheimnisse der Welt würden sich auflösen, wie ein vorher undurchsichtiger Nebel. Mein Doktorvater meinte, diese poetischen Abschlusszeilen hätte man sich sparen sollen. Darin ließe sich nicht die nötige Ernsthaftigkeit finden, die dieses Thema verdient hätte. Aber die Auswertung der vorliegenden Messdaten beeindruckten ihn. Die Modellrechnungen zeigten, so war er sich sicher, den Ursprung einer Veränderung in unserer Wahrnehmung. Man könnte meinen, dass wir an dieser Stelle den Nullpunkt zwischen Vergangenheit und Zukunft setzen werden. „Es wäre eine Schande“, sagte er, „ihre Überlegungen und bisherigen Ergebnisse nicht mit diesem System untersuchen zu lassen.“
Man begleitete mich zum Flughafen und sagte mir, dies könnte der größte Durchbruch sein, den die Wissenschaft bisher erlebt hat. Vom Eifer gepackt, standen wir mit meinen Koffern neben der Haltebucht und glaubten, spätere Biographen würden diesen historischen Moment meines Abflugs mit großen Worten bedenken. „Was es bedeuten würde, wenn wir die Zusammenhänge verstehen könnten. Eine Energiewende, eine Revolution in der Pharmaindustrie, unendliches Leben vielleicht.“ Mein Doktorvater drückte mir einen Brief in die Hand. „Für Professor Beringer.“ Er sah mich nachdenklich an und gab mir den Hinweis mit auf den Weg, es würde sich um einen sehr scheuen Mann handeln, der in der Welt der Wissenschaft nicht immer ganz unumstritten war und dem man einen schweren Charakter und ein gewisses Dasein als Eigenbrötler zuschrieb. Nicht ohne Grund hätte er mich ausgewählt. Nicht wegen meiner Leistungen auf dem Gebiet der Elektronenverschiebung, sondern aufgrund meiner Diplomatie, den Umgang mit Kritik, meinen schier endlos ausrollbaren Geduldsfaden. Es wäre hilfreich, ihm nicht zu widersprechen.

Mit einem Stapel gebündelter Publikationen saß ich im Flugzeug und blickte aus dem ovalen Fenster auf die feuchte Landebahn. In Der entzauberte Regenbogen behauptete Richard Dawkins, dass das Wunderbare nicht weniger wunderbar wird, wenn wir es erklären können. Aber was würde geschehen, wenn sich die Komplexität der Welt herunterbrechen ließe, auf eine einzige Formel, wenn Heisenbergs Vermutung sich als richtig herausstellen würde, sein Ansatz nur falsch gedacht war, alles plötzlich erklärbar wäre, wie würden wir damit umgehen, wenn wir in den Nachthimmel schauen, ohne Faszination, ohne den Glauben an mehr, was würde das aus uns machen, wenn die Neugier nur noch ein Artefakt, die Existenz eines Gottes nur noch eine Randnotiz ist. Ein Gewitter hatte sich zusammenbraut. Kurz beschäftigte die Passagiere die Frage, ob der Flug überhaupt stattfindet, aber zur Erleichterung aller, entschied sich der Pilot für einen Start. Ich lehnte mich zurück und schloss die Augen. Zahlen, Buchstaben, Symbole erschienen mir in ungeordneter Reihenfolge, als würden sie verlangen, sortiert, zu einem höheren Sinn zusammengesetzt zu werden, aber es war mir nicht möglich, sie zu greifen. Als das Flugzeug abhob, begannen die Kopfschmerzen. Die Euphorie schlug in Mattigkeit um. Die Augen wieder öffnend, lag unter mir das winzige Berlin, eine Miniaturstadt, wie ein Modell, ohne Menschen, ohne Leben, dennoch wunderschön anzuschauen.
Mit anbrechender Dunkelheit knackste der Lautsprecher. Der Pilot sprach von Turbulenzen. Nicht sonderlich schweren, aber man wolle Panik vermeiden. Vor zwei Wochen war erst eine Maschine abgestürzt, die Leichenteile in einem Waldstück verteilt gefunden worden. Man wusste, solche Bilder und Information hätten sich noch nicht weit genug aus unserem Gedächtnis entfernt, um der Wahrscheinlichkeit eines Absturzes mit statistischer Logik zu begegnen. Mit Eintritt in die Wolkendecke wurde es holpriger. Ich dachte an die tiefe Falte zwischen den Augenbrauen meines Doktorvaters. Seit meines ersten Gespräches mit ihm, fragte ich mich, ob er diese besonders reinigen würde, mit einem Wattestäbchen zum Beispiel und wie die Haut dazwischen aussah, wenn man die Falte auseinanderschob. Ein Tal der Ungewissheit, dachte ich schmunzelnd, als der Pilot wieder zu uns sprach. Ein Gewitter sei vor uns, nicht möglich zu umfliegen, aber wir sollten uns keine Sorgen machen, man hätte schon häufiger solche Situation erlebt und wie man bemerken würde, bisher auch alle überlebt. Ein grunzendes Lachen beendete die Durchsage.
Es wurde einiges durcheinandergeschüttelt. Koffer regneten aus den Ablagefächern, eine Stewardess stolperte und hielt sich ungünstiger Weise an dem Kopf eines Passagiers fest, dessen Frau nicht besonders amüsiert darüber erschien, als ihre Brüste seine Wangen streiften, ein paar Sauerstoffmasken baumelten hinab und Gläser, ob gefüllt oder leer, fielen zu Boden und rollten nun kreuz und quer zwischen Gang und Sitzen entlang. Der Herr neben mir, ein hochdekorierter Anthropologe, der auf dem Weg zu einem Kongress in einen Nachbarort meines Zieles war, begann Stoßgebete zu flüstern, bis ich ihn vorübergehend beruhigen konnte. Mit simpler Mathematik erklärte ich ihm, dass die eigentliche Differenz zwischen Leben und Tod so gering sei, dass man schon die Nachkommastellen beachten müsste. Auch erzählte ich ihm von meiner Idee, der Nichtzugehörigkeit von Elektronen, diesem wimmelnden Wirrwarr an Energie, diesem Theorem, dass falls die Messungen ähnliche Tendenzen aufwiesen, dies der Welt der Physik den Atem stocken lassen würde. Ob er verstünde, fragte ich ihn, aber anstatt staunend zu applaudieren, wendete er seinen Blick ab und sprach wieder zu Gott, der doch an seine Familie denken sollte, die Kinder und Enkelkinder und die Trauer und wie viel noch entdeckt werden muss, er müsse noch so vieles entdecken und diesmal unterbrach ich ihn nicht, schaute aus dem Fenster in die Lichtblitze, die sich in den Wolken sammelten und spürte im Angesicht dieser Schönheit ein seltsames Glück, dass nur mit einer Theorie zu vergleichen ist, die sich von der Praxis belegen lässt.
In der Schule noch mit Niels Bohr konfrontiert, der seine Elektronen auf Kreisbahnen um den Kern schickte, kam später Erwin Schrödinger in die Bücher, der über ein mathematisches Modell die Aufenthaltswahrscheinlichkeiten der Elektronen im Atom bestimmen konnte. Mittels Wellenfunktionen ließen sich die räumliche und zeitliche Entwicklung des Zustandes eines Quantensystems beschrieben. Als ich erstmal davon hörte, war ich endlos begeistert. Ich versuchte zu lesen, was es zu lesen gab. Fachbücher, Publikationen, Abrisse, biografische Notizen, Tagebucheinträge. Und je mehr ich las, desto ergriffener wurde ich. Meine Anschauung, mein alltägliches Verständnis von einfachsten Ausführungen, mein Bewusstsein für Details veränderte sich mehr und mehr und an Tagen, an denen ich hunderte Seiten studierte, in die Beschreibungen versank. Die Welt stellte sich anders dar, nicht mehr nur dreidimensional, sondern als ein Gebilde, eine Membran, in der sich alle Kräfte und Teilchen aufhielten. Daran musste ich denken, als der Pilot wiederholt zur Ruhe ermahnte und seine zehntausend Flugstunden als Garantie hergab, dass wir uns in sicheren Händen befanden. Leider konnten seine Worte herzlich wenig ausrichten, als der rechte Flügel einknickte und der Rumpf sich wie eine Treppenläuferspirale zu verziehen drohte.

Bei brennenden Triebwerken öffnete ich den Brief meines Doktorvaters. Ich wusste, er würde es nie erfahren. Wer sollte es ihm verraten, dachte ich grinsend, während sich das Flugzeug vornüber neigte und der hochdekorierte Anthropologe nun zitternd Bibelverse zitierte. Ich entnahm den Brief aus seinem Umschlag und entfaltete das Papier. Von draußen hörte man das geisterhafte Surren des Windes, das Rauschen von Geschwindigkeit, im Innern das Kreischen und Übergeben von Insassen, die jedwede Hoffnung aufgegeben hatten, dieses Flugzeug unbeschadet zu verlassen. Lieber Herr Beringer, stand da, mein Student, Sie werden ihn zu schätzen wissen, hat in den letzten drei Jahren seiner Promotion interessante, ich würde sagen, Erleuchtungen gehabt, wie ich vorher noch keinen meiner Promovierenden habe Erleuchtungen sehen gehabt, aber dies ist nicht das eigentlich Aufregende, das wirklich Aufregende ist, dass er erst am Anfang steht, selbst noch nicht weiß, zu was er fähig ist und ich Ihnen zusichern kann, er wird seinen Durchbruch erleben, bestenfalls mit Ihrer Hilfe. Gemeinsam wird es möglich sein, seine Vision zu vervollständigen und eine komplett neue Auffassung für unser Universum zu erlangen. Aber seien Sie streng mit ihm. Er neigt zu Höhenflügen und verschiebt schon durch leichte Ablenkungen seinen Fokus. Mit freundlichsten Grüßen, Prof. Dr. Dr. Mathuren. Ein wenig stolz auf diese Einschätzung, schloss ich den Brief und konnte nun schon flache Berge erkennen, auf die wir ungebremst zurasten.

Kurz vor dem Aufprall, dachte ich an meine Mutter, wie sie in der Küche vor einem übergroßen Suppentopf stand. Sie sagte, „komm schon mein Sohn“ und ich ging auf sie zu und sie wies mich an, einen Blick in den Topf zu werfen. „Dort ist deine Lösung“, rief sie aus. Ich beugte mich vor, doch anstatt kleingeschnittenes Gemüse vorzufinden, war es der Moment vor dem Urknall, den sie mit einer gemächlichen Bewegung herbeirührte. Ich wünschte mir, ihr rechter Arm hätte nicht mein Sichtfeld eingeschränkt, dennoch konnte ich eindeutig den Punkt erkennen, in dem sich die gesamte Energie sammelte und nicht nur das, ich verstand auch, warum sie sich genau in diesem Punkt sammeln musste, warum es keine andere Möglichkeit als diese gab. Unsere Blicke trafen sich. „Bis gleich“, sagte meine Mutter und ließ den Topfdeckel fallen.

Philip Krömer: ErlangenHORROR

Und wenn der Vollmond wieder glitzert, wachsen den Werschweinen im Buckenhofer Forst Daumen. Dann steigen sie über ihren Zaun und traben in die Innenstadt, kratzen die Mülltonnen aus und ängstigen den Türsteher vom Zirkel. Aber der lässt sie nicht rein, keine Chance, nicht in dem Outfit. Halte deine Fenster und Türen geschlossen, Erlangen, bis der Mond morgen wieder abnimmt.

Habt ihr im Wiesengrund die niedergewalzten Büsche bemerkt? Die Risse im Asphalt des Radwegs? Das war der Lurch. Der hat beim geheimen Areva-Reaktorexperimenten zu viel vom Kühlwasser geschluckt. Jetzt misst er acht Meter von Schnauze bis Schwanzspitze und weiß mit seiner neuen Kraft nichts anzufangen. Wenn die Reiher vorübersegeln, legt er sich noch immer bewegungslos ins Gras.

Ein Sausen erfüllt die Luft und gurgelnd schluckt ein Strudel alles Wasser aus dem Dechsendorfer Weiher. Da ist ein Riss entstanden. Fische zappeln am matschigen Ufer, das bald bis an den tiefsten Punkt reicht. Und dort kommt … ein Gebäude zum Vorschein. Nein, eine Anordnung abstrakter Formen. Ein Tempel, in dessen innerster Kammer der schreckliche Cthulhu seinen ewigen Schlaf schläft. Leise jetzt. Den wollt ihr nicht wecken!

Tief aus den Bierstollen unterm Burgberg hallen seine Schritte, dringt sein hirnloses Gebrabbel. Wer unvorsichtig nachsehen geht, den schnappt er sich zur Zwischenmahlzeit. Erst wenn das Fest wieder anhebt und die Fässer angezapft werden, kommt der Troll heraus. Unter den Besuchern fällt er kaum auf. Dann steckt er Brezen in sich rein für zwei Fußballmannschaften und trinkt das Bier fässerweise. Wer ihn bei der Nahrungsaufnahme stört, bereut das bald. Das nimmt er krumm. Seine Fäuste sind nicht von Pappe.

Matt S. Bakausky: Euphorie

Das ist Kokain
Ich bin mir sicher dass das Zucker ist, Mann
Zieh doch mal
Ich ziehe eine Line
Das ist nur Zucker, Mann
Später bestelle ich eine Familienpizza
Heinz wartet darauf, ich gehe pennen
Jeder hat Hunger auf das ein oder andere
Es war kein Kokain, es war Zucker
Und die Familienpizza kam nie an
Kein Kokain
Sondern Zucker war es
Keine Familienpizza
Sondern nur Hunger
Wir machen Sport
Mel und ich
Ich hab einen Steifen
Mel bekommt es nicht mit
Steve schon und lacht sich kaputt
Das war der mit dem Zucker
Euphorie und Wahnsinn ein paar Monate
Jemand schlägt mir die Brille von der Nase
Ich bleibe ruhig sitzen
Er schreit mich auf arabisch an
Rauchen, viel rauchen
Paff, paff, pass trotz Krone
Streit um Tabak
Irgendwann dann keine Euphorie mehr
Kein Wahnsinn mehr
Mucksmäuschen still bin ich
Ohne Gedanken
Jemand vergleicht mich mit Eckhart Tolle
Doch das ist kein Vergleich
Ich kann meine Wäsche kaum zusammenlegen
Im Waschsalon
Überforderung jetzt
Mit den kleinsten Dingen
Wie einkaufen
Abends esse ich nichts
Gehe früh schlafen
Kein bisschen Euphorie bleibt
Es ist alles sinnlos
Selbst das Schreiben
Schluss

Jörg Hilse: Helmuth- Ein Bericht

Es gibt Tage, da glaubt man das Gott schläft, längst in Rente gegangen ist, oder man kommt wie ich zu dem Schluss, das er wohl gar nicht existiert. 

Während des zweiten Weltkriegs gab es in Deutschland einen Jugendlichen , dem sein Glaube  zum letzten Halt wurde . Trotz der Tatsache, dass ihn  seine eigene Gemeinschaft für das was er getan hatte hinauswarf. Aber er konnte eben nicht anders, als seinen Mitmenschen sagen, das dieser „ Führer“ Adolf Hitler und seine Paladine Verbrechen begingen. Angeklagt, mit zwei Freunden selbst verfasste Flugblätter gegen das Regime verbreitet zu haben, wartete er nun in der Haftanstalt Berlin Plötzensee auf die Vollstreckung seines Todesurteils. 

Der letzte von ihm erhaltener  Brief , ging an die Familie Sommerfeld aus seiner Hamburger Gemeinde. 

Früher, wenn an den Sonntagen die Kirchenglocken zum Gottesdienst riefen, traf Helmuth die Sommerfelds bei den Versammlungen der Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage wie sich die Gemeinschaft der Mormonen bis heute offiziell nennt. Auch seine Freunde Rudi und Karl Heinz kamen jeden Sonntag her. 

 Ohne leiblichen Vater aufgewachsen, fühlte sich Helmuth hier wie in einer Art Familie. Doch eines Tages, so um das Jahr 1938 herum begannen sich die Dinge zu ändern. Gemeindepräsident Arthur Zander strebte  nicht nur danach ein treuer Diener Gottes zu sein. Als gutes NSDAP   Mitglied wollte er selbstverständlich auch alle Weisungen seines  „ Führers“ pflichttreu befolgen. Und so hing eines Tages an der Tür des Hamburger Gemeindehauses ein Schild. „ Juden ist der Zutritt strengstens verboten“. Fassungslos und mit Tränen in den Augen stand der junge Solomon Schwarz vor dem Eingang. Warum spielte plötzlich die Religion seiner Eltern  eine Rolle , das man ihn nicht mehr zu den Versammlungen seiner Gemeinde ließ. Helmuth sah es und  begann nachzudenken. Nachdem der Krieg ausgebrochen war brachte sein Bruder Gerhard aus Frankreich ein Radio mit. Eigentlich war das Ding kaputt. Aber Helmuth reparierte es und suchte neugierig nach anderen Sendern als den drei üblichen im Volksempfänger. Auf ein Mal, relativ schwach hörte man etwas. Bumm, Bumm, Bumm, Bumm, hier ist BBC London, wir bringen Nachrichten in deutscher Sprache. Im heimischen Volksempfänger wurde in jenen Tagen noch fleißig gesiegt. Doch hier hörten sich die Geschehnisse schon anders an. Und Helmuth rechnete. Deutschland konnte gar nicht siegen. Eine moderne Armee brauchte für ihre Panzer und Flugzeuge jede Menge Treibstoff. Und den  würde man nur bekommen, wenn man weitere  Länder überfiel und ausraubte. Er musste mit Rudi und Karl Heinz darüber reden. Irgendwas musste man doch tun können um die Menschen zum Nachdenken zu bringen. Ein paar Abende später hörten die Freunde spät abends BBC und verfassten dann auf der Gemeinde- Schreibmaschine ihr erstes Flugblatt. Rudi und Karl Heinz steckten die Durchschläge in Briefkästen in der Nähe. Nur Helmuth war etwas waghalsiger. Als Lehrling in der Hamburger Sozialbehörde, besaß er einen Dienststempel mit Adler und Hakenkreuz. Den drückte er aufs Flugblatt und hängte es in einen Schaukasten für öffentliche Bekanntmachungen. Im Allgemeinen waren sie aber sehr vorsichtig. „ Niemand kann sich heute vorstellen wie gefährlich es damals in Deutschland war“ sagte Karl Heinz, der letzte Überlebende der Gruppe, später in einem Interview. Helmuth verfasste weitere Flugblätter. Nachts zogen die Drei los und verteilten die Abzüge. Eine Zeitlang ging auch alles gut, obwohl man längst nach  ihnen suchte. Scheinbar so gut dass Helmuth einmal Sonntags Karl Heinz zurief: „ Na, haben Sie Dich noch nicht verhaftet?“ Doch dann , Helmuth wollte eins seiner Flugblätter von jemandem ins Französische übersetzen lassen, flogen Sie auf. Die Gestapo holte ihn ab. Auch Rudi und Karl Heinz wurden kurz darauf verhaftet. Gemeindepräsident Arthur Zander muss entsetzt gewesen sein, das sich inmitten seiner Schafe ein solch vaterlandsloses Geschöpf befand. Erleichtert stellte er dann fest das im 12. Glaubensartikel der Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage der Satz stand: „ Wir glauben, das es recht ist Königen, Präsidenten und Obrigkeiten zu gehorchen.“ Auch am Hauptsitz der Gemeinschaft im amerikanischen Salt Lake City hielt und hält man bis heute, dies  für ein unabänderliches von Gott offenbartes Prinzip. Obwohl die Welt gerade zu spüren bekam , das  Deutschlands Obrigkeit aus Massenmördern  bestand.  Arthur Zanders Antrag den Bruder  Helmuth Hübener wegen des Verstoßes gegen den 12. Glaubensartikel zu exkommunizieren wurde  angenommen und der Ausschluss bestätigt. Man weiß nicht mehr ob Helmuth während der Haft davon erfahren hat. Er selbst schrieb in seinem letzten Brief an die Sommerfelds: „ Ich weiß das Gott lebt. Er wird der gerechte Richter in dieser Sache sein.“ 

Am 27. Oktober 1942, kurz nach 20 Uhr starb der 17 jährige Helmuth Hübener unter dem Fallbeil der Nazis. Stets um eine weiße Weste bemüht hob  man Helmuths Exkommunikation erst nach 1945 in Salt Lake City wieder auf. Innerhalb seiner Gemeinschaft ist er heute vergessen. Aber eine Straße und eine Schule in Hamburg sind nach ihm benannt.

Miriam Gil: Über die Austritte aus der katholischen Kirche

Das Fräulein Mandala und Herr Reinhardt sitzen im Cafe`mit Blick auf den Hauptbahnhof.

Turbulentes Treiben am Bahnhofsplatz. Menschenmassen durchqueren die lange Halle auf dem Weg zu den schnaubenden Zügen und Grüppchen von Pfandsammlern schleichen um die Mülleimer, aus denen leere Gebäcktüten quillen. Manche von Ihnen haben Taschenlampen dabei und Baumwollhandschuhe an, wenn Sie nach Dosen oder Flaschen suchen. Sicher landet die ein oder andere Bierflasche in den Tonnen doch ist der Andrang schlicht zu groß um am großen Bahnhof noch richtig Geld zu machen.

Geht der Eine kommt der Andere ein – normaler Passant kann die Uhr danach stellen.

Herr Reinhardt und das Fräulein Mandala sitzen in ihrem Lieblingscafe` am hinteren Rande der Wartehalle auf einer Empore mit Blick auf die ankommenden und abfahrenden Züge.

Vor Ihnen zwei Gläser Pastis und ein Aschenbecher auf der Mitte des Tisches der mit einem Tischtuch aus rot-weißen Karos bedeckt ist und auf dessen Mitte eine beige Kerze steht.

Das Wachs der Kerze ist an einigen Stellen auf das Tischtuch getropft und Herr Reinhardt zündet sich eine Zigarre an, bevor er einen kleinen Schluck der milchigen Flüssigkeit seine Kehle hinabstürzen lässt.

Er nimmt die Tageszeitung in die Hände und zitiert während er immer wieder auf die Reaktionen des Fräuleins achtet:

„Immer mehr Menschen treten aus der katholischen Kirche aus. Im letzten Jahr sind so viele Menschen ausgetreten wie noch nie zuvor. Die Deutsche Bischofs-Konferenz sagt: Es sind rund 523.000 Menschen ausgetreten, im Jahr 2021 waren es rund 359.000.

Mein wertes Fräulein hätten Sie`s gedacht?“

„Das sind viele Leute.“ Setzt das Fräulein an und fährt fort: „Ein Austritt gilt als Kündigung der Mindestloyalität. Andererseits muss man keine Kirchensteuer mehr zahlen ist man aus der Kirche ausgetreten. Wie verhält es sich bei den Evangelen?“

Herr Reinhardt blickt eine halbe Minute in die Zeitung, dann seufzt er und sagt:

„Auch viele.

Mindestloyalität was soll das schon anderes sein als das Geld, welches man an die Kirche bezahlt?

Kirchenrechtler sprechen davon, dass Deutschland sich stark verändern wird, dass beispielsweise kirchlich geführte Kindergärten verschwinden werden.

Was meinen Sie? Was sind die Gründe für die Austritte von über einer halben Millionen Menschen?“

Das Fräulein zuckt mit den Schultern.

Dann nippt es ebenfalls am Pastis und antwortet:

„Ich war nie gläubig. Religion erschien mir immer als überdimensionales Angstgebäude, dass beispielsweise einem in mittelelterlichen Verhältnissen lebenden Bauern die Missernte erklärte. Im Rahmen der Religion und im Namen Gottes geschieht so viel Leid, nein das war nie was für mich. Und erst der Umgang mit Schutzbefohlenen. Ich denke die Missbrauchsskandale und die Tatsache, dass die modernen Gesellschaften von moderner Technologie nur so strotzen widersprechen den Gläubigen an den alten Strukturen festzuhalten. In Zeiten der Inflation will man sein Geld zusammenhalten und keinen Verbrechern zuschustern.“

„Ich war auch nie sonderlich gläubig.“

Erwidert Herr Reinhardt und fährt fort:

„Moralisches und Ethisches Engagement wie beispielsweise das Kirchenasyl, -war nie anerkanntes gesetzliches Mittel. Es gab den Geflüchteten nur ab und an mehr Zeit um alle Mittel auszuschöpfen doch noch in Deutschland bleiben zu können und nicht in unzumutbare Zustände zurück abgeschoben zu werden. Ich las jüngst in einer anderen Zeitung, dass diese Hintertür der Menschlichkeit nun auch geschlossen werden soll ganz heimlich, still und leise. Fräulein glauben Sie denn an einen Gott unabhängig von kirchlicher Tradition?“

„Aber Herr Reinhardt was soll dieser Unfug?“

erwidert das Fräulein Mandala und schnaubt.

„Ich möchte wissen wovon ich spreche und mag wissen woher all das Elend rührt!

Glauben Sie denn noch oder denken Sie schon?“

Herr Reinhardt lacht.

„Ach, wertes Fräulein Mandala ich glaube an Menschen. Es waren immer ganz irdische Gestalten auf diesen Erden die mir halfen war ich in Not oder brauchte Beistand. Manchmal aber wenn ich den Sternenhimmel weit weg von der Lichtverschmutzung der Stadt erblicke dann überwältigt mich dies so dermaßen, dass ich meine mit dem All zu verschmelzen so schön ist das. “

„Ja. So schön ist das.“

Sagt das Fräulein und dann lachen beide.

ChatGPT feat. Ned F. McCowski – Feuerzangenbowle und Gott​

Gott sah zu, wie der junge Mann besoffen auf dem Weihnachtsmarkt herumtorkelte und immer mehr Feuerzangenbowle trank. Er schüttelte den Kopf über die Dummheit des Menschen, der sich selbst so viel Schaden zufügen konnte. Aber er schenkte ihm trotzdem seine unendliche Liebe und Hoffnung.

Als der junge Mann schließlich zum Callcenter ging, konnte Gott seinen Willen nicht ändern. Er sah zu, wie der Mann versuchte, einen Job zu bekommen, und er wusste, dass der Mann nicht die Stärke hatte, um erfolgreich zu sein. Aber er gab ihm trotzdem seine unendliche Liebe und Hoffnung.

Als der Mann endlich seine Chance bekam und seine erste Umfrage durchführte, beobachtete Gott das Gespräch. Er sah zu, wie der Mann versuchte, freundlich und höflich zu sein, und er wusste, dass er sein Bestes gab. Aber er wusste auch, dass der Mann nicht für diesen Job geeignet war.

Gott war traurig, als der Mann seinen Job nicht bekam, aber er wusste, dass dies nicht das Ende war. Er hatte noch viele Möglichkeiten und Wege für den Mann, um sein wahres Potenzial zu entfalten. Er würde immer für ihn da sein und ihm seine unendliche Liebe und Hoffnung schenken.

Vielleicht würde der Mann irgendwann in seinem Leben noch einmal Feuerzangenbowle trinken, aber er würde es mit größerer Vorsicht tun. Vielleicht würde er auch noch viele Fehler machen, aber er würde auch viele Chancen bekommen, um daraus zu lernen. Gott würde immer an seiner Seite sein, um ihn zu führen und zu unterstützen, denn er liebte ihn trotz all seiner Fehler und Schwächen.

Christian Knieps: Der Wanderer

Der Wanderer hatte sein Ziel fest im Blick und schien dennoch noch weit davon entfernt zu sein. Den Gipfel hinan richtete er seine Augen und wusste, dass er die alte Burg von dieser Stelle des Berges aus sehen würde. Als er endlich schnaufend und mit verausgabten Kräften sein anvisiertes Ziel erreichte, ließ er sich auf einen Steinblock nieder und schaute gen Sonne, die hinter der Burgspitze stand und das vor ihm ausgebreitete Tal hell erstrahlte. Durch die Wolken gleißte das Licht in verschiedenen Sphären und malte sonderliche Konturen auf den Boden und die Wälder, mal schattig, mal sonnig, aber immer mit einer raumgreifenden Helligkeit.

Langsam packte der Wanderer eine Wegration aus seinem Rucksack, trank etwas und begann, die mitgebrachte Wurst zu zerkleinern, als er unvermittelt den Kopf hob und etwas zu sehen bekam, von dem er bis ins Mark erschrocken zurückblieb. Aus der Sonne hatte sich ein gleißendes Etwas gelöst und auf den Weg zur Burg gemacht. Wie eine sanfte Feder sank dieses Etwas Richtung Burg nieder, leicht schwankend, sodass der Blick des Wanderers wie gebannt war.

Wie viele Minuten vergingen, konnte der Zuschauende nicht sagen; nach einer geraumen Weile stand dieses Etwas als leuchtender Punkt über der Burg und schien zu warten. Worauf, das wusste der Wanderer nicht, aber als die Sonne hinter der Wolke hervorkam und das Tal vollends bestrahlte, verband sich dieses Etwas mit der Sonne und gab die Strahlkraft weiter an die Burg, sodass diese hell erleuchtete.

Der Wanderer war fasziniert von dem Schauspiel, das nach einer schieren Unendlichkeit zu Ende ging. Die Wurst hatte er immer noch in seiner Hand und ließ sie auf dem Platz liegen, packte seinen Rucksack und machte sich auf den Weg ins Tal. Dort angekommen hörte er von einer alten Frau, die sich mit einer anderen unterhielt, wie die Prinzessin, die in der Burg lebte, vor wenigen Stunden ein gesundes Kind geboren hatte. Plötzlich war dem Wanderer bewusst, dass er etwas erlebt hatte, das nicht für seine Augen bestimmt gewesen war, das aber ab nun ein Teil seiner eigenen Legende sein würde.