Christian Knieps: Erstes Bild

Podcast version:

Webexklusive Version:

Adam und Eva sitzen mit dem Rücken gegen den Baum der Erkenntnis und chillen. Urplötzlich geht das Licht aus, und beide sitzen für eine Zeitlang im Dunkeln. Nur ein kleines Licht ist noch auf die beiden gerichtet.

Eva:

Gehst du mal nachsehen?

Adam genervt:

Wenn’s denn sein muss! Adam müht sich nach oben, geht hinter den Baum der Erkenntnis, werkelt. Dann kommt er zurück. Nichts! Ich glaube, die haben uns den Strom abgestellt!

Eva:

Diese gottverdammten Blutsauger! Sag mal, Adam, hast du denn auch die Stromrechnung bezahlt?

Adam:

Ich denke schon, Eva! Geht doch automatisch vom Konto ab! Aber warte. Kramt seinen Laptop hervor, den er aufklappt. Ich checke gerade mal meine E-Mails. Liest, sie beugt sich zu ihm herüber, um auf den Bildschirm zu schauen. Schau hier, die monatliche Abrechnung!

Eva:

Das ist nur die Rechnung! Wie aber sieht es mit unserem Konto aus?! Seitdem du das gemeinsame Haushaltskonto eingeführt hast, habe ich keinen Überblick mehr, was noch da drauf ist. Die Kontoauszüge, die ich immer holen gegangen bin, fand ich viel besser.

Adam:

Ach, Papperlapapp! Wer will sich schon Papier bei einer Bank holen gehen, wenn er chillig zu Hause einfach seinen Kontostand abrufen kann?!

Eva:

Dann zeig’ mal, wie es mit unserem Kontostand aussieht! Bestimmt ist der Dispo am Limit, und die Stromfirma konnte keine Kohle mehr abbuchen!

Adam hantierend:

Warte. Pause. Murmelnd. Wie war noch mal gleich mein Passwort?

Eva entsetzt:

Was? Sag bloß nicht, dass du das Passwort vergessen hast!

Adam:

Natürlich nicht! Aber es gibt mittlerweile so viele, dass ich mir nicht mehr sicher bin, welches ich für die Bank benutzt habe! Und wenn du drei Mal ein falsches eingibst, ist die Sache hinüber. Dann muss ich zur Bank gehen und das Konto entsperren lassen.

Eva unsicher:

Vielleicht ist unser Konto schon gesperrt, weil wir unseren Dispo gesprengt haben!

Adam:

Das kann ich mir nicht vorstellen. Überlegend. Mickeymouse123, Rotkäppchen234, Iltschi123»$%?.  

Eva:

Iltschi123»$%?? Wer kommt denn auch so ein seltsames Passwort?

Adam:

Ich glaube, dass ich mal ein Passwort anlegen wollte und dann mit der Stirn auf die Tastatur geknallt bin! Da war es dann gespeichert!

Eva:

Und wie? Adam macht eine Einschlafbewegung nach. Ah, verstehe. Du warst mal wieder solange vor dem Computer, dass dir die Augen zugefallen sind. Säuerlich. Kein Wunder, dass wir keinen Strom mehr haben!

Adam besänftigend:

Aber Engelchen!

Eva wütend:

Nenn mich nicht immer so wie die kleinen Biester, die überall herumfliegen und aussehen, als wären sie eine viel zu fette Hummel! Solche Kosenamen kannst du dir sparen! Da steh ich ja überhaupt nicht drauf!

Adam sich zu ihr hinüberbeugend:

Aber ein bisschen scharf macht es dich schon, wenn ich dich so nenne!

Eva ihn wegdrückend:

Na, sicher nicht! Schau lieber nach, wie es mit unserer Stromrechnung aussieht.

Adam indem er mehrere Sachen macht, murmelnd:

Ja, ja. Aha! So, so!

Eva:

Gleich setzt es was, wenn du nicht in normalen Sätzen mit mir reden kannst.

Adam:

Ich rede ja mit mir selbst und nicht…

Eva nimmt ihm den Laptop weg und legt ihn auf ihre Knie:

Hör auf mit dem dummen Gesülze und lass mich mal schauen! Aha, so, so, interessant.

Adam hinüberbeugend:

Was denn?

Eva:

Ach, nichts!

Adam:

Was, ach nichts! Was ist denn nun mit unserer Stromrechnung.

Eva klappt den Laptop zu:

Ist bezahlt!

Adam:

Wirklich? Na dann.

Eva:

Glaubst du mir etwa nicht?

Adam:

Doch, doch. Es war mir nur so, dass ich… Überlegt kurz. Wann haben sie denn abgebucht? Am fünfzehnten oder später?

Eva:

Am fünfzehnten!

Adam:

Sicher?

Eva:

Ganz sicher!

Adam:

Ganz, ganz sicher?

Eva:

Glaubst du mir etwa doch nicht?

Adam:

Du bist dir sicher, dass die Stromfirma am fünfzehnten dieses Monats abgebucht hat?

Eva unsicher werdend:

Hmm, ja.

Adam bestimmt:

Gib mir den Laptop!

Eva:

Wieso? Ist doch alles in Ordnung! Mit gespielter Säuerlichkeit. Vielleicht solltest du dich mal besser um die Stromfirma kümmern, dass die wieder den Strom anstellt!

Adam blickt sie eine Zeitlang an, entscheidet sich dann dafür aufzustehen. Er kramt aus seiner Jeans ein Handy, sucht im Menü, wählt. Mit dem Handy am Ohr wartend.

Adam:

Ja, Hallo! Hier ist Adam aus dem Paradies. Was? Hört zu. Ja, richtig, Adam aus dem Paradies. A wie Adam, D wie Döspaddel, A wie, wie, wie, ach ja, wie Adam und M wie Marie.

Eva nur mit einem halben Ohr hinhörend:

Wer bitte ist Marie?

Adam zischend:

Tsch, bist du jetzt wohl still, du alte eifersüchtige Kuh! Hört zu, wieder ins Handy. Nein, nein, ich meinte nicht Sie! Ich meinte meine Freundin! Hört zu. Ja, meine Lebenspartnerin. Hört zu. Genau, meine Lebensabschnittsgefährtin. Lacht, hört zu. Nein, die werde ich nicht mehr los! Dafür sind wir schon zu lange zusammen. Hört zu. Was, heiraten? Ach was, das geht doch heute auch ohne Schein. Hört zu. Wie meinen?! Kinder? Dazu kann ich jetzt nicht wirklich viel sagen, denn das Thema ist nicht so einfach. Sie hat zwar schon einen Kinderwunsch, aber…

Eva:

Ich und Kinder?! Stell dir das mal vor! Ich und ein kleines Baby? Wie soll ich das denn noch alles machen? Seitdem du im Haushalt keinen Handschlag mehr rührst und ich meine Vollzeitstelle…

Adam:

Sehen Sie, jetzt geht das Gezeter schon wieder los! Hört zu. Das kennen Sie auch mit ihrer Frau? Ja, kein Wunder, so sind die Frauen von heute! Dauernd stellen sie irgendwelche Anforderungen an uns Männer. Wollen dies und das! Überspitzt. Trenn die Wäsche! Wasch dir die Hände! Geh duschen, wenn du so geschwitzt hast! Wechselst du deine Unterhose auch täglich? Geh dich mal rasieren, ich bin doch nicht mit einem Bär zusammen! Seufzend. Alles nicht so einfach. Stille. Ach so, warum ich überhaupt anrufe?! Ich wollte mal fragen, warum Sie bei mir den Strom ausgeschaltet haben. Hört zu. Ja, kein Problem, den kann ich Ihnen noch mal geben. Adam aus dem Paradies. A wie Adam, D wie Döspaddel, A wie, wie, wie, ach ja, wie Adam und M wie Marie. Haben Sie’s? Hört zu. Super! Stille, Warten. Was? Wir haben die Rechnung nicht bezahlt? Das kann nicht sein! Ich habe doch eine Buchung auf meinem Konto! Am fünfzehnten! In seinem Rücken zieht Eva den Laptop näher an ihren Körper und hält ihn demonstrativ und schuldig fest. Adam wird säuerlich. Das ist mir egal! Dann schauen Sie bitte mal in Ihren Buchungen nach und schalten Sie den Strom wieder ein! Wir sind ehrbare Paradiesbewohner und, und, und… Hört zu. Alles klar! Tschüss! Legt auf, starrt kurz auf das Display des Handys, ehe er es in seine Hose wegpackt. Glaubt man es denn?! Zuerst texten die einen zu und machen einen auf nett, und dann reagieren die gleich angepisst, wenn man ihnen mal auf die Füße tritt. Sich zu Eva umdrehend, die weiterhin in der Haltung sitzt. Warte! Gib mir mal den Laptop!

Eva:

Warum denn?

Adam:

Ich muss nur mal was im Internet nachschauen!

Eva:

Und was?

Adam:

Welche Möglichkeiten es gibt, sich gegen solche fiesen Methoden zu wehren!

Eva:

Das kann ich ja auch raussuchen! Geh doch und leg dich was hin! Ich kann ja in der Zwischenzeit raussuchen, was du willst. Erzwungenes Lächeln, kaum überzeugend. Dennoch wankt Adam, Eva zuckersüß. Geh doch, Liebling! Du hattest bestimmt einen harten Tag im Paradies hinter dir! Ruh dich ein wenig aus!

Adam überlegt:

Ich denke, du hast Recht, mein Engelchen! Er geht zur Seite, als es an der Seite klopft. Nanu, wer mag das wohl sein?

Eva:

Keine Ahnung! Erwartest du noch Gäste?

Adam:

Nicht, dass ich wüsste. Geht zur Himmelspforte, wo er durch einen Spion hindurchblickt. Seltsam! Macht die Himmelspforte auf, die wie ein altes Schlosstor quietscht und knarrt. Hallo!?

Zusteller liest vom Paket ab:

Bin ich hier richtig im Paradies? Ich habe ein Paket für Eva aus dem Paradies!

Adam schreiend:

Eva! Für dich!

Eva kommt herbeigelaufen.

Eva:

Für mich? Sieht den Paketboten. Ach, du grüne Neune!

Adam:

Was ist denn? Ist das nicht für dich?

Eva stammelnd:

Schon! Ich habe nur… habe nur…

Adam:

Was ist mit dir los?

Eva:

Ach nichts, Adam! Ich habe ja nichts bestellt! Das muss mir einer unserer Freunde geschickt haben!

Zusteller:

Nein, das ist von einem Modehaus, und…

Eva streng zischend:

Tsch! Zu Adam. Alles in bester Ordnung, Engelchen. Geh du nur und leg dich ein wenig aufs Ohr! Ich regel’ das hier! Ist bestimmt was von Klara!

Adam verwundert:

Wer ist denn Klara?

Eva unsicher:

Ach weißt du, eine der Cherubim!

Adam:

Welche denn? Die mit dem Pferdearsch?

Eva:

Adam! Wie kannst du nur sagen, dass Klara einen Pferdearsch hat!

Adam:

Na immerhin ist sie doch halsabwärts ein Pferd! Wenn die keinen normalen Kopf und die winzigen Flügelchen hätte, dann wäre sie sicherlich kaum von einem Muli zu unterscheiden!

Eva donnernd:

Adam! Jetzt ist aber gut! Die Klara so zu beleidigen! Und dann auch noch vor fremden Menschen! Jetzt geh endlich und leg dich hin!

Adam blickt vom Zusteller zu Eva, zum Paket und zu Eva zurück, unschlüssig:

Na gut, wie du meinst!

Adam geht langsam in die andere Richtung ab. Eva wartet, bis Adam außer Hörreichweite ist.

Eva böse zum Zusteller:

Ich weiß, dass Sie neu sind! Aber hat Ihnen Ihr Kollege nicht gesagt, dass Sie auf keinen Fall ein Paket zustellen dürfen, wenn Adam da ist!

Zusteller:

Aber gnädige Frau, wie soll ich denn wissen, dass…

Eva zeigt außerhalb der Pforte:

Sehen Sie da draußen die Blume auf der Terrasse stehen? Die räume ich immer weg, wenn Adam weg ist, und Sie zustellen dürfen. Also: Blume da, keine Zustellung, Blume weg, Adam weg und… Wartet auf eine Antwort, aber der Zusteller scheint verwirrt, seufzend. Dann können Sie zustellen!

Zusteller:

Das habe ich jetzt nicht verstanden. Also, wenn die Blume dasteht, ist Adam weg und…

Eva sauer:

Nein, nein! Merken Sie sich einfach nur, dass Sie keine Pakete zustellen dürfen, wenn die Blume auf der Terrasse steht!

Zusteller:

Also keine Pakete, wenn die Blume da steht!

Eva glücklich:

Richtig! Sie haben es verstanden. Dreht sich um. Warten Sie! Greift zu ihrer Handtasche, die neben der Himmelspforte auf einem Beistelltischchen liegt. Hier, haben Sie ein kleines Trinkgeld für Ihre Verschwiegenheit. Oberlehrerhaft. Aber bloß keine Zigaretten oder Alkohol davon kaufen!

Zusteller entrüstet:

Nie würde ich so etwas tun, gnädiges Fräulein!

Eva:

Dann ist ja gut!

Zusteller:

Tschüss, dann!

Eva die Pforte zumachend:

Tschüssi! Und daran denken: Blume auf Terrasse – keine Pakete! Eva macht die Himmelspforte zu und atmet tief durch. Uff, das war knapp. Wenn Adam wüsste, dass wir die Stromrechnung nicht bezahlt haben, weil der Dispo an seiner Grenze ist, dann reißt er mir bestimmt den Kopf ab. Schaut auf das Paket in ihren Händen und lächelt. Auf diesen Parforceritt habe ich jetzt wohl eine kleine Aufmerksamkeit verdient! Ob die neuen Lederstiefel auch an meinen Waden so gut aussehen werden wie bei den Engelchen im Katalog? Diese Engelsflittchen haben ja schon ziemlich stramme Waden, da weiß ich nicht, ob die nicht sogar ein wenig zu weit sein könnten! Und dann noch welche ohne Schnalle! Indem sie abgeht und im einem Nebenraum verschwindet. Da muss schon alles passen!

Eva geht ab. Alle ab.

Christian Knieps: Der heimlich Herrschende der Welt

Daten gibt es wohl schon immer, seitdem es strukturiert denkende Menschen gibt. Aufgezeichnet sind diese Daten, spätestens seit dem Imperium der Fugger, wichtige Waffen auf dem Schlachtfeld der Mächte – und sie haben längst die allumfassende Macht übernommen. Selbst die modernsten Waffen – ob konventionell oder angeblich intelligent – werden von Daten gesteuert. Der Shift vom Machtzentrum aus der physischen in die virtuelle Welt ist bereits abgeschlossen; jetzt geht es der Macht im Hintergrund nur noch um die Manifestierung ihres universellen Anspruchs. Zuweilen könnte man auf den Gedanken kommen, dass der Mensch doch die Gefahr sehen, riechen oder schmecken sollte – doch Visionäre, die Texte darüber schreiben oder Filme erschaffen, werden als geistige Genies gefeiert, viel eher als dass sie Steigbügel des eigenen Untergangs sind. Wissentlich den Weg der eigenen Versklavung zu dokumentieren, müsste die statistische Relevanz von menschlicher Angst signifikant erhöhen, aber es passiert nicht – warum eigentlich?

Daten, so unpersönlich sie auch sein mögen, herrschen über die Welt – weil sie über die Herrschenden der Welt herrschen. Welche Macht läge in ihrem Wesen, wenn sie ein Wesen hätten? Aus dieser Erkenntnis und dem Wunsch einiger Entwickler, Daten über eine künstliche Intelligenz am Ende doch eine Art Persönlichkeit zu geben, entspringt eine Urangst im modernen Menschen, der gelernt hat, dass eigenständige Entscheidungen für sein aufgeklärtes Leben erst einmal grundsätzlich existieren.

Um die elementare Gefahr dieser Entwicklung ein klein wenig zu relativieren, sollten wir uns einmal vorstellen, wie die Daten visualisiert einen Körper erhalten. Es folgt ein statistisch mögliches Gespräch zwischen drei Kurvenverläufen – wohlgemerkt, die Wahrscheinlichkeit eines Zusammentreffens ist sehr gering – also keine Angstschübe, bitte!

Es treffen aufeinander: die Verlaufskurve der Geburtenrate in Deutschland nach 1945, die Verlaufskurve der Geschädigten durch Blitzeinschläge seit 1990 in Deutschland und die Verlaufskurve der Privatinsolvenzen seit 2012, ebenfalls in Deutschland.

“Also, wenn ich Ihren Verlauf hätte, würde ich mich schämen!”, sagt die Verlaufskurve der Geschädigten durch Blitzeinschläge zu der Verlaufskurve der Geburten.

“Warum? Wenn ich so unförmig wie Sie wäre, würde ich meine Daten mal fragen, ob sie sich nicht eklatant vertan haben!”, konterte die Verlaufskurve der Geburten. “Das ist ja ein unkontrollierbares Hin und Her bei Ihnen! Ich bin wenigstens homogen und bin nicht so sprunghaft!”

„Wenn ich in den Annalen der Homogenität schaue…”, schaltete sich jetzt auch die Kurve der Privatinsolvenzen ein.

“Dann was?”, kommt es scharf von der Verlaufskurve der Geburtenrate zurück.

“Dann würde ich eher meinen Verlauf sehen, als Ihren!”

“Ach so ist das!”

“Ja, so ist das! Homogenität ist etwas Erhabenes!”

“Wollen Sie etwa damit andeuten, dass ich der letzte Pöbel bin?!”, schlussfolgert die Verlaufskurve der Blitzeinschläge.

“Nicht jeder hat seine Daten so unter Kontrolle wie ich!”, hebt die Verlaufskurve der Privatinsolvenzen die Nase in den Wind.

“Ich zeige gleich, welche Kontrolle ich auf Sie ausübe! Dann schlagen meine Blitze überall ein – da geht es dann bei Ihnen mit den Privatinsolvenzen ab wie sonst was!”

“Nein, weit gefehlt! Nicht bei mir!”

“Wo denn dann?”

“Das schlägt dann voll bei der Verlaufskurve für Elementarversicherungen durch! Ich bin da safe!”

“Oha!”

“Und am Ende gibt es dann entweder mehr oder weniger Geburten ganze neun Monate später! Den Dip musst dann die Schwabbelkurve aushalten!”

“Wer ist hier eine Schwabbelkurve?!”, nimmt nun auch die Verlaufskurve für Geburten wieder an dem Gespräch teil.

“Na du! Schau dich doch mal an! Unten Schwabbelbauch, oben Schwabbelhirn! Unstet und keine Konstanz!”

“Aber bitte! Das lasse ich mir nicht bieten! Ich mag zwar einen beachtlichen Bauch haben – den bald die Verlaufskurve der Rentenkasse abbekommt – aber das mit dem Schwabbelhirn akzeptiere ich nicht! Was ist das eigentlich für eine Aussage! Das habe ich noch nie gehört! Schwabbelige Daten! Was sind denn schwabbelige Daten?!”

“Das müssten Sie doch am besten wissen! Da Sie daraus zu bestehen scheinen! Nicht wie meine harten Daten! Aber ich will mich nicht länger mit Nichtigkeiten aufhalten!”, versucht die Verlaufskurve für Blitzeinschläge das Thema zu wechseln.

“Nein! Das diskutieren wir jetzt aus!”

“Mit ihrem Schwabbelhirn scheint es leider unmöglich, das Schwabbelige von schwabbeligen Daten zu erfassen. Das wäre, als würde man versuchen, einen schwabbeligen Pudding an die Wand zu nageln!”.

Jetzt ist die Verlaufskurve der Geburtenrate so sehr angegriffen, dass sie schweigt.

“Jetzt hast du es geschafft! Du hast die Verlaufskurve für Geburten so sehr beleidigt, dass sie nicht mehr mit uns redet!”, sagt die Verlaufskurve für Insolvenzen leise zur Verlaufskurve für Blitzeinschläge.

“Ist wohl besser für alle, wenn Sie sich zurückzieht! Gibt schon viel zu viele Schwabbelköpfe auf der Welt!”, antwortet die Verlaufskurve für Blitzeinschläge, worauf nur ein Zustimmungslaut zurückkommt.

Mehr ist dann auch nicht zu sagen!

Bitte entschuldigen Sie meine Naivität – vielleicht bin ich auch nicht mehr als ein Steigbügelhalter, aber vor schwabbeligen Daten, deren Verlaufskurven so hysterisch reagieren, habe ich keine echte Angst – es ist irgendwas anderes – wobei ich nicht sagen kann, was es ist. Dafür habe ich einfach zu wenige Daten!

Blumenleere: & now we need some body that’s gonna remind us …

heikel & verborgen. die daten, die wir meinen & nicht zu kennen behaupten. irrefuehrungen in einem labyrinth aus korrupten informationen. wo dein herz die panik kuesst. ach, wer weisz bescheid, ueber deine eskapaden, damals, heute morgen? privatsphaere sabotiert, explodiert, ihre truemmer durchs netz verteilt an haushalte mit emporkeimenden tentakeln … jawohl!: servus, miteinanderhier jetzt grueszt der all-bot! das algorithmische manifest einer fremden aera verheiszt niederschwelligen zugang, verheimlicht suchtpotenziale, selbstmorde auf raten – wir obskuren transistoren oder sonstwelchen elemente gleich sich schaltender &, analog, bunt schillernde differenzen (ausgefallen anmutende variationen der oberflaeche, darunter, verwesend & fataler: morbus …!) vorgaukelnder irgendwann blosz noch tautologisch selbstreferenzieller hyperkultureller vernetzungskreise gieren nach dem makel auf der netzhaut der andren, in der hoffnung unter ihrem blanken schatten ungestoerter abgefahrenste obszoenitaeten zu zuechten, an deren sich stets erhoehender dosis wir uns gen totales delirium aufgeilen, nicht bemerkend, die zahllosen mikroskope im laengst schrecklich verheerend ausgefransten cyber-nacken …

Harald Kappel: Homunkulus

die willkürliche Herstellung
von Menschen und Blumen
auf chemischem Wege
ist eine Möglichkeit im System
in bizarrer Abstraktion
werden die Gebärden der Gesetzlichkeit aufgelöst
werden Muttersöhnchen erzeugt
ein realistisches Detail
aus kläglichen Menschenschemen
die digitale Körnung
ist merkwürdig
die Schwächlichkeit
ein Programmfehler
die Liniengräben wie Ackerstreifen
ein Magnet
der Lebensfunke
das Bewusstsein 
eine Matrix
die willkürliche Herstellung
von Menschen und Blumen
auf chemischem Wege
ist möglicherweise
merkwürdig

Harald Kappel: Formatierung der Festplatte

das Erwachen
gegenüber
nach einer harten Nacht
hebt ein fetter Hund
schwankend das Bein
im grauen Licht
formatiert die schöne Nachbarin
die bunten Mülltonnen
erst nach Spektralfarben
dann nach Bouquet
in der verhassten Wäschespinne
fängt sich der Wind
in Plastiktüten
und Nylonstrümpfen
und ihr Rascheln
erzeugt eine seltsame Sprache
in mir
flüchtig

fehlt mir kurz das Ich

dann formatiere ich
die bunte Luft
den grauen Hund
die fette Nachbarin
die schöne Wäschespinne
die verhasste Nacht
schlüpfe
in die Nylonstrümpfe
stecke mich
in die Plastiktüte
und warte erneut auf
das Erwachen

Jörg Hilse: Cosplay

Manche Bewohner Leipzigs schütteln sicher den Kopf, wenn während der Buchmesse wieder so ein Trupp seltsam bunt gekleideter, teilweise recht aufwändig frisierter und geschminkter Gestalten aus dem Hauptbahnhof herauskommt , um in Bahn in Richtung Messegelände zu steigen.
Cosplayer sagt erklärend der eine, ach das ist doch alles Schrott meint der andere. Aber ist die ganze Sache wirklich nur Trash oder steckt nicht diese alte unauslöschliche Sehnsucht dahinter, jemand anders zu sein als man im Leben ist. Tut ein im Verein organisierter Modelleisenbahner, der natürlich nicht damit spielt( !), sondern Fahrbetrieb macht nicht irgendwo das Gleiche? Nur eben ohne Bahner-Uniform ?
Die Dienstbekleidung hat bei der Bahn übrigens die interne Abkürzung UBK und es gibt sogar eine vorgeschriebene Trageordnung.
Bei Victor Schuster befand sie sich seit kurzem im Kleiderschrank , denn er war neuerdings bei der DB angestellt, doch daneben hing auch etwas, das kaum jemand in seiner Garderobe vermuten würde. Der Kimono von Suguro Geto, einer Figur aus Victors Lieblings- Serie Jujutsu Kaisen, einer japanischen Manga- Trickfilm- Reihe. Schon als Kind war Victor einer von den Stillen gewesen, der viel las, um sich dann mit seinen Lego- Steinen eigene Welten zu erschaffen. Schließlich trat eines Tages ein Zauberlehrling auf den Buchmarkt, der den vom alten Goethe um unendliche Längen schlug. Ein Typ mit Nickelbrille und einer seltsamen Narbe auf der Stirn, erdacht von einer Frau die einmal Klassische Altertumswissenschaft an der Universität von Exeter studiert hatte. Er hieß Harry Potter. Und dessen Schulfreund Ron Weasley wurde zu Victor Schusters alter Ego. Er erinnerte sich nicht mehr, wann und zu welchem Anlass er das erste Kostüm bekam . Wohl aber an das Gefühl, als er es anzog. Er fühlte sich frei. Frei der zu sein, der man sein wollte, losgelöst von jeder Fessel, die die Regel der Normalität einem anlegten. Und die Freude daran blieb bis zum heutigen Tag. Ereignisse die andere begeisterten wie zum Beispiel die Bundesliga interessierten ihn nicht die Bohne. Heute Morgen rief allerdings wieder mal die Pflicht. Sein Wecker klingelte kurz vor 5 Uhr früh und er zog die Bahner Uniform an. Dann stieg er ins Auto, fuhr zum Bahnhof und meldete sich im Fahrmeister-Büro zum Schichtantritt für den Frühzug nach Brüssel. „ Morgen Victor “ sagte Karl, der dort hinter einem der beiden Computerbildschirme Dienst tat. „ Dein Restaurantleiter steigt übrigens erst in Köln zu, bis dahin bleibt das Bordbistro geschlossen, hast also erst mal Gastfahrt.“ „ O.K. sagte Victor und hörte wie Karl ihm noch „Gute Schicht“ zurief, als er die Tür schloss. Schnell noch einen Fünferpack Bonrollen mitnehmen, bevor die wieder alle sind, dachte Victor. Gesagt, Getan und kaum das sie im Rucksack verstaut waren machte er sich auf den Weg zum Gleis um in den ICE nach Brüssel zu steigen. Eine Stunde später, in Köln kamen seine zwei Kolleginnen und eine von beiden öffnete die Tür zur Bordküche. Victor sagte Hallo und eine der beiden fragte: „ Bist Du unser Stewart 3 ? Kannst Du den „ Am Platz Service“ für die erste Klasse übernehmen? „Ja, klar“ antwortete Victor, bereitete drinnen die Kaffeemaschine vor und bekam den üblichen Zettel mit dem Code zum Starten des Kassensystems. Währenddessen hatten zwei etwas eigentümlich aussehende Gäste im Restaurant Platz genommen. Der Erste war ein älterer Mann mit spitzem Vollbart in einer Art Kostüm das wohl aus dem Spätmittelalter stammte zu dem er eine weiße Halskrause trug. Einen Tisch weiter, saß ein schwarz gekleideter junger Japaner der eine runde sehr dunkle Sonnenbrille trug. Perfektes Outfit für die Figur von Saturo Gojo aus Juijutsu Kaisen dachte Victor als er zu dem Gast hinüber sah. Kurz darauf, der Zug hatte gerade Aachen verlassen und Victor kam mit ein paar Bestellungen aus der 1. Klasse zurück, als etwas völlig Unerwartetes passierte. Zuerst hörte er den entsetzen Aufschrei von einer seiner Kolleginnen aus der Bordküche, gefolgt vom Geräusch zu Boden fallenden Geschirrs. Während beide wie von Sinnen mit der Zugbegleiterin in Richtung Dienstabteil rannten um sich drinnen zu verbarrikadieren, sah Victor was sich gerade ereignet hatte. Der Kopf des spitzbärtigen Mannes lag, wie mit einem unsichtbaren Scharnier zur Seite geklappt, quer auf seiner Schulter. Und aus der völlig frei liegenden Halsöffnung heraus, ragte ein halbes Stück Schinken- Käse- Baguette, welches der unheimliche Gast mit Hilfe einer Gabel tiefer hinein zu schieben versuchte.
Erstaunt sah Victor zu und ihm dämmerte, wen er da möglicherweise vor sich hatte. Nachdem der seltsame Restaurantbesucher mit einer einzigen Handbewegung seinen Kopf wieder in die alte Position gebracht hatte, fragte Victor: „ Vielleicht noch etwas Tee, Sir Nicolas? Dann rutscht es besser.“ Sie kennen mich?“ fragte der Fremde.“ „ Ja, Sie sind Sir Nicolas de Mimsy Porpington, Hausgeist von Gryffindor aus der Zauberschule in Hogwarts.“ antwortete Victor. „ Es ist sehr freundlich von ihnen mich nicht mit diesem hässlichen Spitznamen „ Der fast kopflose Nick“ anzureden “ erwiderte Sir Nicolas. „ Ach ja, mein Schicksal“ klagte er dann. „ Nun hat mir doch neulich der gute Professor Filius Flitwick einen Zauberspruch verraten, wie ich trotz meiner Geisterexistenz Speisen zu mir nehmen kann. Und wieder funktioniert es nicht richtig. Wie Sie wissen ging ja schon meine Hinrichtung, übrigens ebenfalls wegen eines missglückten Zauberspruchs schief und mein Kopf wurde mir nicht komplett abgetrennt. Inzwischen erreichte der ICE ohne vorherige Ansage durch das Zugpersonal, den Bahnhof von Lüttich. Es war also nicht mehr weit bis Brüssel.
Victor klopfte schließlich an die Tür. „ Soll ich den Gast mit dem Schinken- Käse- Baguette abkassieren?“ fragte er dann. „ Mach was Du willst, sag uns einfach nur Bescheid wenn der gruselige Typ aussteigt“ hörte er die verängstigte Stimme seiner Restaurantleiterin von drinnen. O.K. antwortete Victor und staunte anschließend nicht schlecht, das die Kreditkarte der Gringott’s Bank problemlos auf seinem Kartenleser funktionierte. Fast pünktlich erreichte der Zug die Endstation Brüssel Midi und Sir Nicolas de Mimsy Porpington entschwebte in Richtung Eurostar nach London. Victor Schuster klopfte an die Tür vom Dienstabteil. „ Er ist weg, ich geh mal kurz raus auf den Bahnsteig“. „ Gottseidank, komm aber rechtzeitig wieder“ hieß es erleichtert von drinnen. Draußen stand auf einmal der schweigsame Japaner neben ihm. Seine dunkle Sonnenbrille hatte er gegen eine schwarze Augenbinde ausgetauscht. Und Victor hatte plötzlich die Gewissheit dass, auch er kein Cosplayer war.
„ Da Du gewusst hast wer er war, weißt Du bestimmt auch wer ich bin, nichtsdestotrotz hier ist meine Karte“ sagte der Fremde. Victor nahm sie an sich und stutzte dann doch.“ . „Saturo Gojo, Jujutsu Akademie Tokio“, stand in japanischen wie auch lateinischen Buchstaben auf der Visitenkarte. „ Was wollt ihr denn ausgerechnet von mir?“ fragte Victor gespannt . „ Ich hab einen Job für Dich“ antwortete ihm der junge Mann mit der Augenbinde.
„ Die Akademie sucht einen Gefahrenstufen- Analysten für europäische Fluchgeister und sonstige Phänomene. Wenn Du einverstanden bist, schreib einfach eine Mail an die Adresse auf der Rückseite der Karte. Das Flugticket schicken wir Dir dann.“ Einen Tag nach der Ankunft in Frankfurt schickte Victor die Mail nach Tokio und brach zwei Wochen später auf ins Land seiner Träume, Japan.
Jammerschade , finden manche seiner Kollegen bei der Bahn.

Carsten Stephan: Schweiß und Preis

Glosse

            Von der Decke bis zur Diele
            Muß der Schweiß herunter rinnen,
            Willst gelangen Du zum Ziele,
            Wohlverdienten Preis gewinnen.
                                Friederike Kempner

Woher kommt und wohin geht er?
Welches ist des Schweißes Richtung?
Davon kündet dir die Dichtung.
Fließt er grade oder dreht er,
Spritzt er achtundsiebzig Meter?
Ob im Nebel, ob am Nile,
Von dem Steiß geht er zur Schwiele,
Zu dem Krapfen, zu der Kröte,
Von dem Griesbrei bis zum Goethe,
Von der Decke bis zur Diele.

Aus der Achsel muss er fließen,
Er muss strömen, er muss schnellen,
Gleich den Niagarafällen,
In Fontänen aufwärts schießen,
Im Quartiere sich ergießen.
Ob bei Froste, ob bei Finnen,
Ob bei Flippfloppträgerinnen,
Er muss sprudeln, er muss sprützen,
Ja, zu ungeheuren Pfützen
Muss der Schweiß herunterrinnen.

Diese Flut musst du durchwaten,
Gar das gelbe Meer durchschwimmen,
Um die Zwecke zu erklimmen,
Gleich den Hanse- und Kroaten
Rudern zu den Resultaten.
Ob in Schweden, ob bei Schwüle,
Nimmer geht’s per Besenstiele,
Du musst schnorcheln, du musst schippern,
An den Kliffen, auf den Klippern,
Willst gelangen du zum Ziele.

Wird man dich mit Lorbeer schmücken
Für den Duft an allen Ecken?
Wird man dir die Füße schlecken?
Wird man Ehrennadeln zücken,
Preisen dich in Bühnenstücken?
Ob am Montag, ob zum Minnen,
Fünfzig Raubtierpflegerinnen
Werden schnurren, werden schnobern,
Konntest ja ihr Herz erobern,
Wohlverdienten Preis gewinnen.

Harald Kappel: mumifiziert

die Stimmung ist im Keller

nichts funktioniert
an der richtigen Stelle

am Arsch der Welt
läuft man sein Leben lang herum

der Aufgesetzte
ist eine Sternstunde

die Köpfe der Revolution
mumifizieren in Formaldehyd

das Tasting
gar nicht mal so übel
brennt unter der Kalotte

die Erkenntnis
braucht unendlich viel Zeit
sie reicht
Gott sei Dank
für lebenslänglichen Suff

man erträgt die Sternstunden
nur solange
bis man sie begreift

Christian Knieps: Für was Verben?

Eine kaum zu identifizierende Leiche, grässlich zugerichtet, auf dem nackten Boden, der blutdurchtränkte, in der gleißenden, unbarmherzigen und an dem Geschehen unbeteiligten Sonne, mit massenhaft schwirrenden Fliegen überall, dieses eindringliche gleichfrequente Summen, dieser beißende, bleierne Geruch nach fortgeschrittener Verwesung, beginnende Zersetzung allen ehemaligen Lebens, hinaus nach dem längst eingetretenen Tod. 

Starke, höchst emotionale Ablehnung von meiner Seite aus, die Ermittlung, nicht mein Wunsch, großer Drang nach Weglaufen, doch hier, an diesem Ort, meine neue, ungewollte Ermittlung, dieses menschliche Desaster vor mir und in meinem schmerzenden Kopf. 

Der eigenartige, äußert mitteilsame Täter, seine exakte Adresse und Handynummer auf der ansonsten zugerichteten, vor uns liegenden Leiche, penibel saubere Schrift, fast zu perfekt, nahe an einer gedruckten Druckschrift, comic sans serif, diese spaltende Schriftart, geliebt oder verhasst. 

Meine überaus engagierten Kolleg:Innen, unterwegs zu der auf der Oberhaut der Leiche angegebenen Adresse, ausgeschaltetes Blaulicht, keine unnötige Aufmerksamkeit, auch wenn der vermeintliche Täter, der mitteilsame, die Ankunft erwartungsfroh, am dreckigen Fenster hinter dem ebenfalls dreckigen Vorhang erkennbar, zitternd und über den Maßen stark schwitzend. 

Ein vermeintlich einfacher Einsatz, in Sicherheitsausrüstung anrückende Kolleg:Innen, gepanzerte schwarzgefärbte Kevlarprotektoren, vorsichtiges, koordiniertes Vorrücken, der nervöse Täter hinter dem durchscheinenden Vorhang, erwartungsgespannt auf die nähere Zukunft, die langsamen, zähflüssig verrinnenden Sekunden. Näherung, minutiös kontrolliert, professionelles Training und exakte Umsetzung, einem ballettesken Schwanentanz gleich, Kommandos per abgesprochenen Zeichen, Umstellung des baufälligen Hauses, Klärung der Bereitschaft aller beteiligten Einheiten Zugriff, Sturm durch die nicht abgeschlossenen Türen vorne und hinten, Drücken des Knopfes trotz allen Schweißes, augenblickliche Zündung der angebrachten, versteckten Bomben, grande catastrophe, unsere geordnete Welt völlig anders als zuvor.

Harald Kappel: Hochgeladen

die Leiche
meines Vaters
riecht nach dem Telefunkenapparat
meiner Mutter
das Niveau am Sterbebett
wird peinlich genau protokolliert
die Fotografie
des aufgeschnittenen Herzens
zeigt an seinen Rändern
unverdauten Spinat
die sectionale Präparation
vermittelt den Eindruck
als wär er noch da
fieberhaft knacken Schädelknochen
intensives Denken setzt ein
die Augennerven kratzen von innen heraus
am Klavier wird ein läppisches Lied gespielt
ich lade seine Facebookseite hoch
und zeige sie
am offenen Sarg
seine Freunde sind drei
er hat zwei Likes
in viertausend Stunden
ich hatte ihn blockiert
die Leiche meines Vaters
wird peinlich genau hochgeladen
sie riecht nach dem Telefunkenapparat
meiner Mutter