blumenleere: im schwingen das singen

toene tanzen wellenfoermig, so auch die lieder, die wir – manchmal vielleicht schon beinah zu gern & des schmierigen pathos (ach, wir sind doch die vom schicksal ganz zu boden & noch tiefer fast geschlagenen …!) voll verkoerpern wollen, sollen bis gefuehlt muessen …? ja, egal, ob himmelhoch jauchzend oder zu tode betruebt – es ist sind die kontraste, die unterschiede, die unserem leben werte & qualitaeten verleihen, weil ohne freud kein leid … indem, naemlich, die bedeutung des einen nur sinn macht, durch das andere, waehrend wir zwischen den extremen der pole oszillieren, etabliert sich die von uns hypergelobte diversitaet – wiederum im gegensatz zur schalen uniform – just dadurch, dass gleichfoermiges, immerwaehrendes ununterbrochenes glueck, letztlich, am ende der annaeherung, zu einem bloszen synonym fuer letale langeweile werden wuerde & wir, zumindest (instinktiv/intuitiv) unbewusst, abstand davon nehmen. der weg der mitte, aber – on the other hand … –, beinhalte wohl stets das harmonische vibrieren aller saiten.

Harald Kappel: Bang Bang

..ein euphorisches Drama

(…eine Frau, ein Stuhl, ein Monolog)

Hier bin ich. Es ist schon ziemlich ungemütlich draußen, anders als wenn der Sommerwind unter den Sternen meine Gedanken wärmt.
Auf diesem Stuhl sitze ich gerne.
Wenn ich die Tür öffne, strömt eine frische Brise an den Gardinen vorbei in meine Küche. Als Kind durfte ich nicht zwischen diesen Gardinen nach draußen sehen, meine Mutter hatte es mir verboten.
Warum? Weiß ich nicht. Sie hat nicht mit mir darüber geredet.
Gegenüber, hinter dem großen erleuchteten Fenster, spielten alte Männer Karten, tranken Bier, und rauchten dicke Zigarren. Und um Mitternacht haben sie seltsame Lieder gesungen und sind auf die Strasse getorkelt.
Sie lachten und schrieen, sie waren frei.
Ich habe das erst später verstanden, vielleicht zu spät.
Aber das ist doch normal, dass man vieles erst zu spät versteht, oder?
Ich habe ein Kind und keinen Mann.
Mein Lebensmotto ist schwer in einen Satz zu packen. Irgendwie glaube ich aber daran, dass alles immer weitergeht. Dass auch hinter der dicksten Wolkendecke Sonnenschein und ein blauer Himmel warten.
Wenn mir langweilig ist, träume ich vom Reisen, vom Meer. Oder ich fahre ans Meer. Darüber lesen ist auch gut.
Ich wohne in einer sehr gemischten Strasse, es gibt wunderbare Häuser, und es gibt Bruchbuden. Mein Haus muss einmal wunderbar gewesen sein, aber jetzt…
Neulich war mir langweilig, das Kind schlief.
Ich habe mich bis auf den Slip ausgezogen, eine Spraydose mit schwarzem Lack genommen und Worte auf die Häuserfassaden gesprayt:
„Bang, Bang, Titte, Bazille.“ Bei „Bazille“ haben sie mich erwischt. Ich musste mit auf die Polizeiwache. Sie haben mich begafft, mir eine Decke um die Schultern gelegt und mich gut behandelt. Sie waren nett zu mir. Das mussten sie wohl sein. Obwohl ich ziemlich gestunken haben muss (das Wasserwerk wollte endlich sein Geld).
Dann sollte ich Fragen beantworten, die ich nicht zur Zufriedenheit der Fragenden beantworten konnte:
Warum haben Sie das gemacht?
Weil mir langweilig war und es mir nicht leisten kann, ans Meer zu fahren.
In ihrem Alter? Und halbnackt?
Gefallen Ihnen meine Titten nicht? Und ist man mit vierunddreißig zu alt zum sprayen? Oder ans Meer zu fahren? Wer sagt das? Hmh?
Weil ich seit vierunddreißig Jahren hier wohne und Mutter bin, haben sie mich wieder gehen lassen.
Das war nett. Ich muss das bezahlen, ich meine, die Reinigung.
Ich möchte mal wissen von was?
Sie fragten mich, ob ich das für normal halte, unbekleidet anderer Leute Häuser zu verschmutzen. Weiß ich nicht, hab ich gesagt. Ist das normal?
Die jungen Polizisten haben sich ganz komisch angeschaut.
Was meinen Sie? Ist Ihnen nie langweilig, oder fahren Sie dann ans Meer?
Ja, nun sagen Sie schon!
Sie…, waren Sie schon am Meer? Sie, ja…
Mein Elend begann mit der Schwangerschaft.
Als ich zweiundzwanzig war hab ich diesen hübschen Kerl getroffen, ehrlichgesagt, ich hab ihn auf seinem Fahrrad über den Haufen gefahren und dann zu Hause ein bisschen gepflegt und von diesen Umständen war ich dann gleich in „anderen Umständen“. Ich musste doch auch mal Erfahrung sammeln. Das ist normal, oder nicht? Irgendwann muss jede Frau das einmal tun.
Vorher war ich für Alle der gute Kumpel. Ein Mädchen, das nachts keine Angst haben musste… nachts durch den dunklen Park zu schlendern.. Niemand hätte mich belästigt, ich war eine Unberührbare.
Aber kaum fasste mich der Erste an, war’s vorbei mit der Freiheit.
Dabei habe ich doch nur etwas Normales machen wollen.
Was Normales…Was Normales…
Ich glaube, mein Elend begann mit der Normalität.
Meine Geduld ist nämlich wie normales Eis, nichts an ihm rührt sich.
Naja, ich wollte aber dann doch, dass mein Kind in einer ordentlichen Familie aufwächst. Mit der Geburt des Kindes war ich von einem Tag auf den anderen zu Hause angebunden. Ich musste so ziemlich alles aufgeben, was ich gerne gemacht habe. Alles! Keine Handpuppenlehrgänge mehr. Kein spätes Schlendern durch den dunklen Leninpark. Nichts!
Ich bin total an dieses Kind, dass ich nicht gewollt hatte, gefesselt.
Ja, aber ich liebe dieses Kind. Alle Mütter lieben ihre Kinder. Das ist normal.
Gottseidank, ist das normal!
Mein langweiliger Ex-Mann war keine große Hilfe. Wenn er nach Hause kam, klebte er auf seinem Sessel fest, bis das Fernsehprogramm Testbilder zeigte, und die fand er wohl auch interessanter als mich und seine Brut.
Halten Sie das für normal? Ich vermute, dass sie das für normal halten.
Schade eigentlich. Warum hält man das für normal?
Was glauben sie wohl?
Aber davon will ich Ihnen ja gar nicht erzählen. Ich wollte Ihnen erzählen, dass ich irgendwie hoffe, dass alles immer weiter geht, dass auch hinter der dicksten Wolkendecke Sonnenschein und ein blauer Himmel warten.
Das möchte ich Ihnen erzählen. Das ist schöner, oder?
Sie möchten etwas Schönes hören, oder?
Etwas schönes Normales!
Sie haben eine Bank in unserer Straße aufgestellt, auf der steht:
„Glück ist eine Bank, die plötzlich da steht.“
„Ich bin eine Bank vom Stadtmöblierungs-Projekt „Bau dir eine Bank“, hergestellt von den Bewohnern mit handwerklichem Geschick und allen die Lust haben, gemeinsam etwas zu bauen.“
Sie glauben an so etwas nicht?
Gehen Sie mal 30 m die Strasse herunter, und schauen sich das an.
Vielleicht setzen Sie sich sogar auf diese Bank.
Vielleicht gefällt es Ihnen sogar, auf dieser Bank zu sitzen.
Vielleicht fällt Ihnen auf dieser Bank etwas zu Ihrer Kindheit ein, oder zu ihrem letzten Urlaub, oder zu sich selbst. Das wäre schön. Das wäre gar nicht mal so normal, nicht wahr?
Ich sitze lieber hier auf meinem Stuhl, und schaue in das Fenster gegenüber.
Dort spielen sie leider keine Karten mehr. Vielleicht sind sie schon alle tot?
Ich lese hier manchmal etwas. Ich lese gerne das Handpuppenmagazin und ich lese Gedichte. Gedichte beruhigen mich.
Überrascht Sie das? Habe ich sie damit überrascht?
Ist das normal, dass sie das überrascht?
Sie, habe ich Sie damit überrascht?
Sehen Sie mich etwa als eine Frau, der man nicht zutraut, dass sie Gedichte liest?
Junge Mami liest Gedichte. Lächerlich. Und wann kocht sie?
Ich bin eine sogenannte Alleinerziehende. Ich koche, wann ich will.
Tag und Nacht.
Ich habe von Tag und Nacht gelesen.
Dass der Tag zu Ende geht.
Dass er seine Schuldigkeit getan hat.

nun geht der Tag zu Ende
hat seine Schuldigkeit getan
schweigt meiner Seelen Hände
mit Silberflügeln recht geschwind
vorm Fenster friert
der nackte Baum noch immer
und schwarzer Schnee
taut auf den Blüten
in dunklen Nachtgedanken
träum ich süß
von welken Wolken
blass und taub
der Regen trommelt
und packt
die Sehnsucht wieder ein
bin nur ein Glas voll Glück
wie Milch gemolken
bin Deiner Wärme Raub
ich horch dem Schlag der Stunden
wart auf des Morgens Ton
hör Deine Stimme rufen
Gedanken lachen schon
im hellen Bach
im grünen Schnee
und wachte auf
im Traum nur fad
von Licht umflossen
und niemand sagt
ich hab ein neues Kleid
im Bilderbuch gefunden
und niemand singt
von diesen offnen Stunden
wenn man
frei auf Bänken liegen kann
und hübsch
der Mond herunterlacht
dann schläft die Wolke
hinterm Haus
und welkt nicht mehr
nun geht die Nacht zu Ende
hat ihre Schuldigkeit getan

Verdammt, ich zieh mich aus und koche, wann ich will!!
Vielleicht fange ich aber jetzt damit an, davon zu reden, was passieren könnte.
Zum Beispiel könnte ich jetzt meine Spraydose nehmen, und irgend jemandem, Ihnen zum Beispiel!, ein Wort auf den Arm sprayen. Bang, oder Fuck!
Oder Anna. Ich heiße Anna, damit sie auch wissen, mit wem sie es zu tun haben. Wer ihnen so komische Geschichten erzählt. Sie könnten sagen, die ist doch nicht normal. Die ist vielleicht sogar verrückt.
Die Hundefänger müssten sie abholen, die sitzt hier rum, und sprayt anderen Leuten auf den Arm. Aber das tue ich ja gar nicht.
Ich stelle mir eher vor, es könnte mich jetzt jemand ansehen. Meine Titten .
Und mich dann mitnehmen.
Wohin wäre ganz egal, er müsste nur nett sein.
Vielleicht würde er ja sogar mit mir ans Meer fahren, wir könnten dort Wolken beobachten und überlegen, welchen Tieren sie ähneln, oder welchen Menschen.
Wenn wir das tun, dann könnte ich ihn sogar gerne haben, und er vielleicht mich.
Das wäre so schön, und ich würde glauben, dass auch hinter der dicksten Wolkendecke Sonnenschein und ein blauer Himmel auf mich warten.
Vielleicht möchte mich jemand von Ihnen mitnehmen?
Sie vielleicht? Gefalle ich Ihnen? Soll ich mich für Sie ausziehen? Wollen Sie mein Fleisch sehen? Das würde ich gerne tun…
Gefällt Ihnen mein Kleid? Meine Nase? Mein Stuhl?
Ich könnte Ihnen vorlesen, aus dem Handpuppenmagazin, oder lieber ein Gedicht?
Sind Sie romantisch, lieben Sie die Wolken, auch wenn aus ihnen Regen fällt?
Ich bin eine liebenswerte Person, ich liebe mich selbst. Das gelingt nicht jedem. Ich habe mir das verdient, dass ich mich selbst lieben kann.
Und ich koche wann ich will!
Seit dem Handpuppenlehrgang, habe ich keine Handpuppe selbst gemacht. Aber ich schaue mir immer gerne an, wie andere es tun.
Ich schaue mir immer gerne an, wie normal andere sind.
Ich möchte ein Ottonormalverbraucher sein.
Dann nimmt mich vielleicht jemand mit. Ans Meer.
Ich ziehe ein hübsches Kleid an und frisiere mir die Haare.
Ich liege mit den anderen Ottonormalverbrauchern am Strand.
Ich trinke gelbe Limonade und lache.
Ich gehöre dazu. Das würde mir gefallen. Vielleicht.
Vielleicht nehme ich aber auch meine Spraydose, und schreibe auf Ihr Haus: Feigling oder Bang.
Was würde Ihnen besser gefallen?
Noch haben Sie die freie Auswahl.
Ach vergessen Sie es, das war ein Witz.
Ein ganz normaler Witz.
Habe ich Sie erschreckt, nein, das wollte ich nicht.
Sie sollten sich nicht an Angst gewöhnen.
Die Menschen haben im Grunde nichts dagegen, betrogen zu werden.
Sie haben nur etwas dagegen, dass man sie es merken lässt.
Ich lasse sie nichts merken, denn das Unglück meiner Nachbarn macht mich traurig.
Und ihre Normalität macht mich traurig.
Ihr ständiges Bemühen.
Die Verlockung des Glücks.
Ich schlafe manchmal auf der falschen Bank.
Der kalte Regen fällt auf mein Haar.
Aber in mir ist immer blauer Himmel.
Ich trage die Erde, die Freude, und die Sonne an meiner Seite.
Ich bleibe anders.
Ich bin ein buntes Nebenleben.
Ich bin mein eigenes Wunschkind.
Bin in mir selbst hell ausgegossen.
Ich atme still den Wind, und lasse fallen was fällt.
Den Regen, die Tränen, die Träume
und mich….

Matt S. Bakausky: Euphorie

Das ist Kokain
Ich bin mir sicher dass das Zucker ist, Mann
Zieh doch mal
Ich ziehe eine Line
Das ist nur Zucker, Mann
Später bestelle ich eine Familienpizza
Heinz wartet darauf, ich gehe pennen
Jeder hat Hunger auf das ein oder andere
Es war kein Kokain, es war Zucker
Und die Familienpizza kam nie an
Kein Kokain
Sondern Zucker war es
Keine Familienpizza
Sondern nur Hunger
Wir machen Sport
Mel und ich
Ich hab einen Steifen
Mel bekommt es nicht mit
Steve schon und lacht sich kaputt
Das war der mit dem Zucker
Euphorie und Wahnsinn ein paar Monate
Jemand schlägt mir die Brille von der Nase
Ich bleibe ruhig sitzen
Er schreit mich auf arabisch an
Rauchen, viel rauchen
Paff, paff, pass trotz Krone
Streit um Tabak
Irgendwann dann keine Euphorie mehr
Kein Wahnsinn mehr
Mucksmäuschen still bin ich
Ohne Gedanken
Jemand vergleicht mich mit Eckhart Tolle
Doch das ist kein Vergleich
Ich kann meine Wäsche kaum zusammenlegen
Im Waschsalon
Überforderung jetzt
Mit den kleinsten Dingen
Wie einkaufen
Abends esse ich nichts
Gehe früh schlafen
Kein bisschen Euphorie bleibt
Es ist alles sinnlos
Selbst das Schreiben
Schluss

Arabella Block: Euphorie

Wenn ich
gerade noch ich
genug bin
um zu spüren
dass ich
gar nicht mehr ich bin
das ist ein Gefühl
kann ich dir sagen.
Wie damals mein Kater
am Straßenrand
voll überrollt
vm LKW.
Das rosige Innere blüht
außen auf dem Asphalt
der noch bebt.
So ist das.
Nur reversibel.
Wenn ich dann wieder
ich bin
mit Knochen unter der Haut
und einem Spiegelbild
das sagt: komm
nicht unter die Räder.
Und putz mal das Bad.
Das ist ein Gefühl, sag ich dir.