Ella:r Gülden: Vom Urlauben

Die Holländer:innen auf Campingplätzen überall in Italien oder in Westfrankreich, in der Lüneburger Heide und an der kroatischen Adria, und die Engländer:innen in ihren Ferienhäusern auf der anderen Seite des Ärmelkanals, wo sie bruchstückhaft „Frrançais“ sprechen und „Crroissant“ und „Pain“ au chocolat reinfressen. Oder an der Nordostsee Fischbrötchen mit Bismarckhering, ja der mit den fünf Bällen spielt..
Naja und selbst die deutschen Urlaubsfreund:innen wollen häufig dorthin, wo das Essen interessant schmeckt, das Gras anders grün ist und die Badegewässer etwas klarer sind, oder wärmer, oder kälter

Oder die Berge höher…
-als in und um
Sonneberg (i. Thüringen) …
Sonniger ist es aber in Offenburg, Pforzheim, Karlsruhe, Kempten im Allgäu und Freiburg im Breisgau
Dacia datsche Fliegenklatsche
In Schland sind die Erdbeeren auf den Selbstpflückfeldern auch schon reif, manchmal gibt es neben diesen ein Labyrinth aus
Stroh
Und zum Zwetschgendatschi am Sommersonntag die Waldmeisterinnenbrause.
Kirschkernausspucken vielleicht manchmal und Himbeerenbärem
Besser als Ballaballa’rmann?! Wasserball und Frisbee am Baggerseeufer, Aufblasflamingo, Schlauchboot und der Spaß hat kein Sommerloch

Manche oder viele bleiben ja jedenfalls auch zuhause, „Urlaub auf Balkonien“ haha, wer kennt’s nicht? Terrasien klingt nicht so attraktiv, oder vielleicht Wintergartien?!
Und warten dann drauf, dass sie die Übergangsjacke endlich zum Wintermantel hängen können und die Eisdielerin durchgehend öffnet
Und die kühlschrankkalte Fruchtbowle steht dann bald bereit, mit den Ananas- und Bananenförmigen Eiswürfeln, und sangria mit dem auch eiskalten Wein und Zimt und an der abwischbar beschichteten Plastiktischdecke hängend diese lila Trauben und grünen Äpfel zum Beschweren, falls ein Sommersturm aufkommt

Für’s extremere Sichbewegen gibt’s auch bereits früher im Jahr die Sommerfrischler:innen, – die, die Anfang Mai schon bei elf Grad Wassertemperatur ihre jünger als sie gebliebenen Stahlkörper in den Voralpensee getaucht haben
Um sich unverbraucht, neu, vital und einfach kühl zu fühlen
PS: Kaltbaden ist ansonsten ja auch das geupdatete, krassere Kneippen für die jüngeren Immunboostaffinen

Und gar allen geben die gelbe Sau oben im Himmel und der lau-sachte Sommerwind hier unten Auftrieb um grundsatzentspannt und fit zu werden als auch zu bleiben für die bald lebenslange Lohnarbeit

Carsten Striepe: Flaschenpost

Gesellschaftskritik ist ein Lifestyleprodukt. Nicht mehr als ein schickes Accessoire von Akademiker:innen jeglicher Coleur, das sie vor sich hertragen und begeistert davon erzählen welche tollen Erkenntnisse und Erfahrungen sie im Austausch miteinander gewinnen durften. Stolz präsentieren sie das Unsagbare der Woche ohne die Tragweite überhaupt begreifen zu wollen. Gleich einer Holiday-Experience und einer Afterwork-Session mit den ach so geliebten Kolleg:innen. Ein Glaubensbekenntnis, dass wir dies und jenes erkannt und in uns vernichtet haben, während die ganze Scheiße einfach weitergeht. Und manchmal reicht die Demut gerade noch für ein Bier getränktes Bekenntnis, die immer noch anwesenden inneren Widersprüche anzuerkennen. Aber bald hat man es geschafft. Bald ist man frei vom Widerspruch. Ganz bestimmt. Bald. Und dann?!

Uns ist einiges abhanden gekommen über die Zeit: Die einstige Schlagkraft der Krüppel- und Irrenbewegung, die Antipsychiatrie und Patient:innenkollektive, die autonomen Bewegungen gegen die Zumutungen des Geschlechterverhältnis, sowie die antirassistischen Proteste der 80er und 90er Jahre, selbst die 68er-Bewegung trotz all ihrer Irrwege, Karriereambitionen und Projektionen. Heute sind sie Speaker:innen, Workshopgebende, Lehrer:innen, Pädagogi:nnen, Wirtschafts- und Businessmenschen im Anzug. Sie sitzen in Gremien und Kampagnen, sind promovierte Expert*innen für dies und das, geben schlaue TED-Talks zu wichtigen Themen, sie wissen wie man redet und wie man Menschen für sich gewinnt, sie überzeugen in der Kommunalpolitik und auf Bundesebene, machen Expertisen-Beratung, reden über Sustainabilty und SDGs. S-D-Gs! Echte Macher eben. So hört zumindest jemand zu – was er oder sie hört und daraus schließt ist nicht weiter von Belang. Was daraus folgt – egal, denn es geht um das Bekenntnis! Ein Workshop hier und da. Für das höhere Ideal! Für die gute Sache! Für die einfachen Botschaften! Mehr als Harmonie ist nicht drin.

War das erklärte Ziel nicht die Abschaffung des entfremdeten Tuns und Machens, des Kategorisierens, des Labels und der Etiquette? Eine radikale Kritik der Zurichtung eines jeden Subjekts? Gegen alles was scheiße ist? Nieder mit den Palästen? Eine Welt frei von Zwang und zweckgesteuerten, instrumentellen Beziehungen? Die Bezugnahme aufeinander radikal verändern und neudenken? “Alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen” …und so weiter und so fort? Antiquiertes Geschwätz, für das sich kein Absatzmarkt am sogenannten Meinungskorridor mehr findet. Die heiklen Themen werden ausgespart, weil jemand die Meinung aus gänzlich anderen Gründen teilen könnte, der uns nicht gefällt. Diskussionen um emanzipatorische Belange sind nicht weiter von Wissensaustausch und schmerzhafter Bereicherung durch Widerspruch geprägt, sie sind zum Austausch von Bekenntnissen verkommen. Es wird abgeklopft ob die Person gegenüber den Standpunkt teilt. Wenn nicht, lohnt sich keine weitere Auseinandersetzung. Der Unterschied von Argument und Standpunkt verschwimmt.

Seit Herbst letzten Jahres ist nichts mehr wie es war. Zu verschieden die Verschiedenheit. Zu heimelig und bequem die Gedanken, die zum Einfachen führen. Brechts “Das Einfache, das schwer zu machen ist” scheint noch weiter in die Ferne gerückt als je zuvor. Da sind nur noch anonyme Schützengräben aus denen geschossen wird. Das Lob auf Selbstkritik ist nichts wert, wenn sie nicht verstanden, geschweige denn kollektiv eingelöst wird. War bis zu diesem Tag immer weit entfernt von jetzt. Was wenn die autoritäre und konformistische Rebellion das letzte bisschen vom Tellerrand der Gesellschaftskritik kratzt und sich einverleibt? Wo sind die Unterschiede im Suchen nach dem greifbaren Bösen in der Welt? Wie schafft man die Gehirnakkrobatik sich selbst aus der Kritik auszuschließen und dem Wahn – die eigene Gewordenheit in all dem Ekel ignorierend – verfällt? Wie viel Pragmatismus ist nötig bis zur völligen Selbstaufgabe? Was bleibt da übrig als angepasste Selbstvergewisserung und Klarheit der einfachen Worte? Vernichtung statt Verneinung ist schön – sie tut uns ja nicht weh, nur den anderen. Innere Konflikte werden beiseite gestellt und suchen eine Leinwand zur Projektion auf der stellvertretend Schlachten geführt werden. Dabei muss und wird doch sowieso alles kurzüber in Flammen stehen.

Wo kämen wir da hin wenn Gesellschaftskritik weh tun würde? Sie muss angenehm serviert werden auf einem buntem Porzellanbett, von dem wir jedes Wort schlürfen solange es uns schmeckt. Geh mir weg mit Gewordenheit, Zurichtung und Verhältnissen! Hört mir auf mit dieser Beharrlichkeit! Sei konstruktiv – auch wenn du dir nicht ausgesucht hast hier zu sein! Bitte nicht zu kompliziert, es soll ja auch jeder verstehen und mitkommen können. Klassismus wider Willen, dem Unverstandenen keine Chance einzuräumen bevor es verstanden werden kann. Klar, hier und da ein Begriff der uns suggeriert es sei von Relevanz. Wir brauchen Reichweite – sonst lohnt es sich nicht. Kritik muss sich aber lohnen sonst ist sie nichts wert. Wenn sie das soll, ist sie dann nicht vielmehr ihr Gegenteil? Ich habe noch nie davon gehört, dass einfache Antworten komplexe Probleme gelöst hätten.

Vor Jahren laß ich in einem Gedicht: Dialektik sei es tagsüber rote Flugblätter zu verteilen und abends schwarze Gedichte zu schreiben. Ist es noch Dialektik wenn letzteres zu überwiegen droht?

Allmählich ziehe ich ernsthaft in Erwägung ans Meer zu ziehen. Wenn wir schon dem Untergang geweiht sind, wünsche ich mir die Flaschenpost wenigstens am Strand lesen zu können.

Christian Knieps: Sommerfrische

Disclaimer: Achtung! Dieser Artikel kann Hinweise auf Produkte erhalten, die zur empirischen Fallstudie notwendig waren. Da dies kein Warentest im herkömmlichen Sinne darstellt, wird sich an dieser Stelle in aller Form entschuldigt!
Wer kennt das nicht? Es ist heiß im Staate Dänemark, aber auch in der eigenen Großstadt, die in einem Kessel liegend die Grillstufe des Backofens angeschaltet hat, Hitze von oben und unten, und selbst im fast nacktem Zustand kann man erfühlen, wie sich ein Brathähnchen in der Röhre fühlen mag. Die Luft ist stickig, diesig, eine Glocke mit wabernder oder stehender Luft heizt das Ganze weiter an, die Schweißporen streiken, da die körpereigene Kühlung längst überfordert ist. Die Gedanken richten sich im Halbwahn auf nur ein Ziel: Sommerfrische! Ab zum Meer! Raus aus dem Glutofen, hinein in die steife, angenehme Brise, irgendwo auf eine Insel, auf der Touristen das Kommando längst übernommen haben.
Doch o Wunder! Ganz viele kennen das nicht! Aus vielerlei Gründen ist die Zahl derer, die sich das nicht leisten können, in den Jahren stetig gewachsen. Familien, die schlichtweg zu wenig Geld verdienen, um gleichzeitig in einer gekauften Erdgeschosswohnung einen Infinitity Pool zu betreiben, sind oft ohne ausreichende Mittel, und auch Singles, die ihr Geld dafür ausgeben, um den Ausbau ihrer Maisonette-Altbauwohnung zu ermöglichen, da die Anzahl der einmal getragenen Kleidungsstücke unmöglich mehr in die beiden begehbaren Kleiderschränke passen, können es nur per Kredit finanzieren – die Welt ist schon arm dran!
Aus diesem Grund – und aus rein kapitalistischen Aspekten natürlich – hat ein Unternehmen, das zuvor mit seinem Produkt auf dem Holzweg war – glowing Gelantinezuckerformdrops wirken eher abschreckend auf Käuferinnen und Käufer, die befürchten, selber danach zu glühen, was nachts den empfindlichen Schlaf in der Gluthitze weiter stören könnte – dieses Unternehmen also hat ein Produkt entwickelt, das die Sommerfrische in die eigene Wohnung bringt. In den eigenen vier Wänden das Gefühl von Urlaub zu verspüren, ist so erfolgreich, dass niemand mehr in Urlaub fährt, und nur wenige Jahre später sind Massen von Urlaubsorte wirtschaftlich ruiniert – nur ein einziges Dörfchen hat die grandiose Idee, im Urlaub vor Ort verschiedene Erlebnisse zu ermöglichen. Man kann als Gast von einem ins andere Zimmer umbuchen, geht von der Wüste in die Berge, in die Antarktis und bis nach Patagonien, und es bleibt ein Renner, woanders hinzugehen, ohne sich großartig bewegen zu müssen.
Und die Moral von der Geschicht’? Sind wir ehrlich – ist es in Dänemark wirklich heiß oder ist das nur ein Marketing-Gag?

Matt S. Bakausky: Bakauskys zehn Tipps zum erfolgreichen Daten

Viele meiner Freunde fragen mich, warum ich so erfolgreich beim Daten bin.  Ich bin der Date-Doktor in meinem Freundeskreis. Damit ich nicht jedes Mal alles erklären muss, habe ich heute zehn Regeln zusammengestellt, die mir geholfen haben.

1. Komme zehn bis 14 Minuten zu spät zum vereinbarten Termin. Das zeigt, dass du es nicht nötig hast und entspannt bist.

2. Bringe einen Block mit und mache dir Notizen. Das bekundet authentisches Interesse.

3. Auf keinen Fall in die Augen schauen, das wirkt aggressiv. Wenn möglich, auf den Boden schauen. Besser noch auf die Schuhe deines Gegenübers.

4. Rede am besten über dich selbst in dritter Person. Das hat etwas Erhabenes.

5. Keine Fragen beantworten, es ist ja kein Quiz. Lieber kurz durchatmen und dann „Wie bitte? Ich habe dich akustisch nicht verstanden.“, sagen.

6. Auf keinen Fall mit Besteck essen, das tun nur Snobs. Ohne Hände, mit Mund speisen, hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Dein Date wird immer an dich denken.

7. Wenn dein Date zur Toilette muss, fange an zu weinen und sage der Person, dass du sie jetzt schon vermisst. Das zeigt, dass du bereit bist, dich zu binden.

8. Erzählt dein Date einen Witz, solltest du auf keinen Fall lachen. Es ist angebracht, stattdessen grunzend den Kopf auf die Tischplatte zu schlagen. Das zeigt deinem Gegenüber, dass du nicht aus Zucker bist.

9. Beim Bezahlen Kleingeld verwenden, das wirkt sympathisch und zeigt, dass dir Geld nicht so wichtig ist.

10. Bei der Verabschiedung nichts sagen und einfach gehen. Dann umdrehen und Tschüss brüllen (nach 3-5 Metern) – das ist bestimmt das romantischste, was dein Date je erlebt hat.

Mit diesen zehn Tipps steht deinem Erfolg nichts mehr weg. Sollte es nicht klappen, liegt es nicht an dir, sondern an deinem Date. Die Person ist nicht die Richtige für dich. Andere Mütter haben auch noch schöne Töchter und Söhne. Zu jedem Topf passt ein Deckel. Unverhofft kommt oft.

Ella:r Gülden: Granatsplitter

Ausnahmsweise … wird ein Film über einen männlichen Künstler nur mit
dessen Vornamen betitelt:
‚Anselm‘
… kann sich einreihen hinter Frida, Paula, Tove und vielleicht neben ‚Lotte am Bauhaus‘.
Jedenfalls reist er nicht im ‚Schatten von
Caravaggio‘ ins ‚Daliland‘.
„Anselm Kiefer — Alchemist, Provokateur“
‚Der größte Mythos ist der Mensch selbst‘, sagt er, einfach so (reingeschnitten, in den
Trailer) und verbrennt zuvor groß aufgestellte Bündel von Ähren und es raucht sehr, auch auf seinem Bild von früher so, wegen der Sieglin… äh Suh‘-lamith:
‚Dein goldenes Haar Margarete‘
– dazu eine Vanillestange vom Backwerk,
Verkauf ab Werk
brandneue Treter vielleich’ auch
an die Krautstampfer,
reimt sich auf Sauerampfer
– vielleicht das erste, was jemand mampft, wenn sie:er ins Gras beißt. ‚Another one bites the dust‘ – not yet. … Drah di ned um!, nur die zwei Euro, diese Zwickel, bitte, vielleicht ist der Erasmus von Rotterdam drauf, oder der Willy Brandt beim Kniefall in Warschau oder moderne Kunst aus Griechenland. Sammeln tun wir die trotzdem nicht. Der Sparfuchs muss jetzt kleinere Brötchen (auf)backen, und die Kröten beisammen halten …1,2,5,7: wo ist denn der Schmalhans Küchenmeister geblieben?

… Es pfeift inflationär von den Dächern, lieber einen Spatz auf dem Dach, als gar keine Taube.
Alle Vögel sind noch nicht da – viele Vögel sind bald weg. Flügge geworden, oder aus dem Nest gefallen, noch kein Ei gelegt:
Au Backe backe Mutterkuchen …!
Man sieht ihnen ihr Alter gar nicht an;
alt genug für die Schwarzwälderkirsch, zu jung für die Schwarzwaldklinisch. Es gibt übrigens eigentlich schon lange keine Granatsplitter mehr, als konditorische Spezialität zu erlangen!?

„ich hab ölige hände und öl in meinem bauch“
singt derweil Sophie Hunger (in 1983),
so ist das beim Snacken, Fingerfood: heiß und fettich
… Gewürzschnitte und halbe butterseele
nussecke und käselaugenstange
kürbiskernsemmel und quarktasche
soweit und so lecker das
Lieblingssortiment vom Pausenbäcker.
„Sinz“ hieß der,
– sind’s genug Pfenning’ne!?
[Den Cent’er Shock gab’s auch schon früher beim Bäcker]

Simon Ischebeck: Vom Irrtum und Gärten

Menschen (und andere Entitäten) irren sich häufig im Zusammenhang mit Gärten. Eine verbreitete Meinung ist die, dass ein Garten ein wunderschöner Ort sei, der Ruhe und Frieden verspricht. Schaut man jedoch genauer hin, erkennt man schnell, dass sich in Gärten seit jeher tragische, von Irrtum erzeugte Dramen abspielen.

Der paradigmatischste Irrtum weltweit trat im Garten Eden auf. Dort irrte sich Gott in der Annahme, dass es eine gute Idee sei, den ersten Menschen einen Baum mit köstlichen Äpfeln vor die Nase zu pflanzen, ihnen dann aber aus sportlichen Gründen zu verbieten, einen davon zu essen. Weil ER selbst jedoch Adam und Eva nun einmal als notorische Querdenker erschaffen hatte, die ständig „Out-Of-The-Box“ dachten und sich deshalb nicht an irgendwelche, ihnen sinnlos erscheinende Regeln halten konnten, war dies ein naiver Plan, der ja dann auch schnell scheiterte.

Anstatt seine eigene Annahme als allwissender Gott aber kritisch zu reflektieren, war ER stattdessen beleidigt und bestrafte die ganze Menschheit für SEINEN Irrtum mit ewiger Verdammnis zu einem Arbeitstag von mindestens 8 Stunden, und das meist ohne Homeoffice-Regelung.

Um diesem Irrtum ein mahnendes Denkmal zu setzen, entschied sich Steve Jobs später, als Logo seines Unternehmens einen angebissenen Apfel zu wählen.

Ein weiterer folgenreicher Irrtum, der viele Gärten bis heute betrifft, unterlief Zar Alexander dem Ersten. Er beschloss, dem Fürsten von Metternich anlässlich des Wiener Kongresses eine große Schale an Samen des kaukasischen Riesen-Bärenklau für dessen Garten zu schenken. Ein wahrhaft vergiftetes Geschenk, denn der Bärenklau ist bekanntermaßen überaus toxisch, wird über drei Meter hoch und breitet sich unaufhaltsam aus, wenn er erst einmal die Chance dazu bekommt. Mit den Mitteln der damaligen Zeit war die Pflanze nicht erfolgreich zu bekämpfen, sodass das Schloss des Fürsten bald in einem Meer von giftigem Bärenklau eingeschlossen war.

Fun Fact (wissen viele nicht): Der Fürst von Metternich konnte sich noch mit knapper Not aus seinem Schloss retten, seine Tochter jedoch wurde dort gänzlich vom Bärenklau eingeschlossen. Weil ihr dort so ganz allein schnell furchtbar langweilig wurde, trank sie den ganzen Sektkeller des Fürsten leer, woraufhin sie in einen 100-jährigen Schlaf fiel, aus dem sie erst 1915 von einem übergriffigen Prinzen wachgeküsst wurde. Diese historische Begebenheit wurde später von den zwielichtigen Brüdern Grimm für ihr Werk „Kinder und Hausmärchen“ verfälscht (Stichwort „Dornige Chancen mit Rosen“) und als angebliches Märchen deklariert.

Generell gibt es so viele aufregende Begebenheiten rund um das Thema „Gärten und Irrtümer“, dass in der Umgebung der Stadt Kevelaer findige Unternehmer auf die Idee kamen, einen sogenannten „Irrgarten“ zu erschaffen, den sie zu einem Themenpark namens Irrland ausbauten.

Dieser Freizeitpark am Niederrhein erfüllt dort heutzutage eine wichtige pädagogische Funktion für Familien, deren Kinder zu sehr von sich selbst und ihrer Meinung überzeugt sind. Die kleinen, missratenen Charaktere werden dort fachgerecht mit ausgeklügelter Schwarzer Pädagogik therapiert, indem man sie in ein kompliziertes Labyrinth aus Maispflanzen schickt, aus dem sie oft erst nach Stunden wieder herausfinden. Der Park musste aufwendig akustisch abgeschirmt werden, weil das Schreien und Weinen der herumirrenden Kinder die Anwohner des Parks traumatisierte.

Die Betreiber des Irrlands und das Ministerium für Kinder, Jugendliche und Familien in NRW versichern jedoch, dass diese Methode die betroffenen Kinder äußerst verlässlich von ihrem übertriebenen Vertrauen in vorgefasste Meinungen und Überzeugungen kuriert.

blumenleere: salt of the earth


wer reist, verliere, gluecklicherweise, bisweilen einen teil der uns ueber jahrzehnte in den ueblichen verdummungsanstalten eingeblaeuten dressuren, insofern die bereitschaft vorliegt, sich auf die konventionen der fremde einzulassen bis, gar, sie, bedingt, hinreichend zu internalisieren. die theory of mind trifft empathie; sich in andere hineinversetzen koennen, um ihre perspektive nachzuvollziehen, sei das weitaus geringere, das groeszere, tatsaechlich mitzufuehlen. ja, irgendwo dort, wo die einheimischen speisen, vielleicht auch ausgelassen oder ritualisiert spielen – = feiern –, finden sich immer mal nischen, zu partizipieren, immersiv in den ereignissen aufzugehen & ein dasselbe geringfuegig modifizierendes moment eines uns theoretisch unbekannten systems zu werden, derweil der koerper oft schneller lerne als psyche & geist.

Andreas M. Lugauer: Wahrsagekarten

Auf die Webseite einer Kartenlegerin bin ich geraten. Wie, das vermag ich nicht zu sagen: ob mich Engel dorthin geführt haben oder mein Krafttier oder eine Wasserader, gleichviel. Freilich aber lese ich mir den Internetauftritt durch. Er enthält nichts, was mich als Gaudibesucher der Messe »Spiritualität und Heilen 2019« befremden könnte. Dort war u. a. ein »Feinstoffchirurg« zu Werke, der live eine Frau von ihrem ewigwährenden Kopfschmerz »heilte« – ausschließlich mit feinstofflichen Mitteln, was bedeutet, dass er bedeutungsschwanger vor ihrem Gesicht herumgefächelt und so an ihren Feinstoffen operiert hat. Natürlich hielt auch ein Typ mit »schützenden« Pappschachteln gegen allerhand schädliche Strahlung wie 5G einen Vortrag. Doch will ich da jetzt gar nicht nachtaroten, Quatsch: nachtarocken, gleichwohl da auch gefährlicher Unsinn verbreitet wird.

Über ein Detail der Kartenlegerinnen-Webseite muss ich schmunzeln: Die Liste über die Esoterikkartensammlung der Wahrsagerin. Denn sie enthält neben allerhand einschlägigen Decks auch zwei, die eins dort nicht erwarten würde. Doch zunächst die überraschungsarmen:

  • Mystisches Lenormand von Angelina Schulze
  • Mystisches Lenormand von Regula Elizabeth Fiechter
  • Lenormand „Blaue Eule“ vom Königsfurt Urania Verlag
  • Das Lenormand Orakel von Irtis
  • Das Enchanted Lenormand Oracle von Caitlin Matthews, Virginia Lee
  • Seelenbotschaften von Inge Schulz
  • Die Zeitkarten von Wulfing von Rohr, Marlena Lewandowska
  • Schutzengel von Barbara Heider-Rauter

Das erste überraschende Deck ist »Skat Wahrsagekarten von Inge Schulz«. Es ist gleich in zweifacher Hinsicht lustig. Einerseits kennen und lieben wir alle Skat als Wirtshauskartenspiel zum Saufen. Und die Wahrsagerin sagt damit die Zukunft voraus. Wahrscheinlich, wie viele Halbe und Sechsämtertropfen heute Abend getrunken werden, hahaha. Und wie viele Ehefrauen nach der Heimkunft ihrer Bierdimpfln geschlagen werden, naja. Andererseits ist die Skatologie sowohl ›die wissenschaftliche Untersuchung von Kot‹ als auch die ›Vorliebe für das Benutzen von Ausdrücken aus dem Analbereich‹. Die Zukunft wird wohl beschissen, hahaha.

Das andere lustige Wahrsagedeck ist »Tarock bayerische Schafkopf-Karten von F.X.«, und damit das allerstinknormalste Kartenset, mit dem in bayerischen Wirtshäusern schafgekopft, gewattet und Neunerln gespielt wird – und natürlich auch Skat.

Doch nicht so vorschnell: Wie es so oft ist, sind die unerwarteten Wahrsagekarten-Sets nicht ganz so abwegig und albern, wie’s auf den ersten Blick scheint. Denn, ich zitiere die Wikipedia: »Die Tarotkarten gehören zur Familie der Tarock-Spielkarten. Bis Ende des 18. Jahrhunderts ist ihre Entwicklung identisch. Danach erhielten Tarot-Kartensätze zunehmend symbolische Inhalte, da sie seitdem explizit als Deutungswerkzeuge verwendet werden. In mehreren Sprachen (u. a. Französisch, Englisch, Spanisch) wird das Wort Tarot sowohl für die Wahrsage- wie auch für die Tarockspielkarten benutzt.« (Zitatende)

Wo aber nach wie vor die normalen Wirtshaus-Spielutensilien zum Wahrsagen benutzt werden: Warum nicht auch gleich UNO, Skip-Bo, Phase 10, das Glücksrad von Spiel des Lebens und der Flugzeugrotator von Looping Louie?

Katharina Wasmeier: Botswana

Eine alte Bekannte von mir war fit in Wortspielen. Wenn sie sagte „Heut Abend geh ich nach Botswana“ hieß das, sie würde später ein Bad nehmen statt sich in der Kneipe zu treffen. Mir fällt das grade ein, weil gestern war ich nämlich auch in Botswana. Eine für die meisten von euch vermutlich nicht weiter spannende Information, sondern vielmehr alltägliche Handlung der Reinigung, Wellness und Entspannung. Für mich problematisch, weil Badewanne bedeutet Zwangsstillegung, Unbequemheit und Stress und kann deswegen nur in Ausnahmesituationen als ultima ratio herangezogen werden.

So zum Beispiel „Ich hab Halsweh und mir ist arschsaukalt schon den ganzen Tag. Ich glaub ich muss in die Badewanne.“ Wenn ich gewusst hätte, welch sagenhafte Handlungskette größter Betriebsamkeit diese nebensächliche Information auslöste – ich hätt’ sie mir verkniffen. „Mir war nicht klar, dass ‚Badewanne‘ ein Codewort für ‚Wohnungsputz‘ ist!“ hab ich gejammert und den Toilettenrand dick mit Reinigungsschaum ausgekleidet, während im Arbeitszimmer Aufbewahrungsschachteln durcheinandergewürfelt wurden und im Waschbecken Wanderschuhe eingeweicht sowie im Flur großformatig Kabel einer Schlagbohrmaschine zu den selben Mandalas ausgefächert lagen, die ich eigentlich in einem Bett aus wohlduftenden Blubberblasen längst gern gemalt hätte. Doch es kam anders.

Weil ich lediglich die ungeliebte Wanne (zu kurz, zu eng, zu wenig Kissen) wenigstens kurz wischen wollte, kam mir der Gedanke, dass wenn Lappen und Reiniger schon in der Hand sind, damit auch geschwind das Waschbecken durchgefeudelt werden könnte und weil’s ja nur ein Handgriff mehr ist auch das Klo. In der Zwischenzeit trug der Mann („Gell, du möchtest einfach nur, dass es mir möglichst gut geht. Und nicht etwa, dass ich möglichst lange in der Wanne bleibe, damit du möglichst lange Ruhe vor mir hast?“) beflissen Hocker, Tee und Kerzenschein ins Badezimmer und frug, wonach ich mich noch sehnte. „Nichts weiter, und bei dem Licht hier lauf ich auch nicht Gefahr, einzuschlafen und zu ertrinken“, bemerkte ich mit Blick aufs gleißende Halogen.

Weswegen eine Klemmlampe im Vorratsraum abgebaut wurde. Weswegen ein Verlängerungskabel fürs Bad gesucht wurde. Weswegen eine Mehrfachsteckdose gesucht wurde. Weswegen dabei eine Aufbewahrungsschachtel gefunden wurde. Weswegen darin Festplatten („Die müsste man mal durchschauen!“), Handyschutzfolien („Das Handy gibt’s ja gar nicht mehr. Die stell ich schnell bei Ebay ein.“), Smartphonehalterungen („Das hast DU unbedingt haben wollen und jetzt liegt’s originalverpackt nur rum!“) gefunden wurden. Weswegen Platz für einen Klemmspot geschaffen wurde. Weswegen eine dabei entdeckte Pflanze dringend umgetopft werden musste. Weswegen man doch eigentlich das neue Schuhregal … Ich sag mal so: Halsweh ist jetzt weg, ich fühl mich pumperlgesund. Nach Botswana muss ich erstmal nicht mehr.