Simon Ischebeck: Vom Irrtum und Gärten

Menschen (und andere Entitäten) irren sich häufig im Zusammenhang mit Gärten. Eine verbreitete Meinung ist die, dass ein Garten ein wunderschöner Ort sei, der Ruhe und Frieden verspricht. Schaut man jedoch genauer hin, erkennt man schnell, dass sich in Gärten seit jeher tragische, von Irrtum erzeugte Dramen abspielen.

Der paradigmatischste Irrtum weltweit trat im Garten Eden auf. Dort irrte sich Gott in der Annahme, dass es eine gute Idee sei, den ersten Menschen einen Baum mit köstlichen Äpfeln vor die Nase zu pflanzen, ihnen dann aber aus sportlichen Gründen zu verbieten, einen davon zu essen. Weil ER selbst jedoch Adam und Eva nun einmal als notorische Querdenker erschaffen hatte, die ständig „Out-Of-The-Box“ dachten und sich deshalb nicht an irgendwelche, ihnen sinnlos erscheinende Regeln halten konnten, war dies ein naiver Plan, der ja dann auch schnell scheiterte.

Anstatt seine eigene Annahme als allwissender Gott aber kritisch zu reflektieren, war ER stattdessen beleidigt und bestrafte die ganze Menschheit für SEINEN Irrtum mit ewiger Verdammnis zu einem Arbeitstag von mindestens 8 Stunden, und das meist ohne Homeoffice-Regelung.

Um diesem Irrtum ein mahnendes Denkmal zu setzen, entschied sich Steve Jobs später, als Logo seines Unternehmens einen angebissenen Apfel zu wählen.

Ein weiterer folgenreicher Irrtum, der viele Gärten bis heute betrifft, unterlief Zar Alexander dem Ersten. Er beschloss, dem Fürsten von Metternich anlässlich des Wiener Kongresses eine große Schale an Samen des kaukasischen Riesen-Bärenklau für dessen Garten zu schenken. Ein wahrhaft vergiftetes Geschenk, denn der Bärenklau ist bekanntermaßen überaus toxisch, wird über drei Meter hoch und breitet sich unaufhaltsam aus, wenn er erst einmal die Chance dazu bekommt. Mit den Mitteln der damaligen Zeit war die Pflanze nicht erfolgreich zu bekämpfen, sodass das Schloss des Fürsten bald in einem Meer von giftigem Bärenklau eingeschlossen war.

Fun Fact (wissen viele nicht): Der Fürst von Metternich konnte sich noch mit knapper Not aus seinem Schloss retten, seine Tochter jedoch wurde dort gänzlich vom Bärenklau eingeschlossen. Weil ihr dort so ganz allein schnell furchtbar langweilig wurde, trank sie den ganzen Sektkeller des Fürsten leer, woraufhin sie in einen 100-jährigen Schlaf fiel, aus dem sie erst 1915 von einem übergriffigen Prinzen wachgeküsst wurde. Diese historische Begebenheit wurde später von den zwielichtigen Brüdern Grimm für ihr Werk „Kinder und Hausmärchen“ verfälscht (Stichwort „Dornige Chancen mit Rosen“) und als angebliches Märchen deklariert.

Generell gibt es so viele aufregende Begebenheiten rund um das Thema „Gärten und Irrtümer“, dass in der Umgebung der Stadt Kevelaer findige Unternehmer auf die Idee kamen, einen sogenannten „Irrgarten“ zu erschaffen, den sie zu einem Themenpark namens Irrland ausbauten.

Dieser Freizeitpark am Niederrhein erfüllt dort heutzutage eine wichtige pädagogische Funktion für Familien, deren Kinder zu sehr von sich selbst und ihrer Meinung überzeugt sind. Die kleinen, missratenen Charaktere werden dort fachgerecht mit ausgeklügelter Schwarzer Pädagogik therapiert, indem man sie in ein kompliziertes Labyrinth aus Maispflanzen schickt, aus dem sie oft erst nach Stunden wieder herausfinden. Der Park musste aufwendig akustisch abgeschirmt werden, weil das Schreien und Weinen der herumirrenden Kinder die Anwohner des Parks traumatisierte.

Die Betreiber des Irrlands und das Ministerium für Kinder, Jugendliche und Familien in NRW versichern jedoch, dass diese Methode die betroffenen Kinder äußerst verlässlich von ihrem übertriebenen Vertrauen in vorgefasste Meinungen und Überzeugungen kuriert.

Christian Knieps: Sridayan

Im weiten Raum der Stille. Ein Mann (N) ist einfach da.

N: Immer, wenn ich durch den Raum schwebe, beginne ich zu tanzen. Ich tanze in der Luft, umschwinge mich selbst, erhöre meine Bewegungen, ertaste meine Wahrnehmung, werde eins mit meiner Selbst. Ich bin und ich werde in einem Moment, in dem ich schwebend durch den Raum gleite.

Er geht ein wenig umher, nahezu schwebend.

N: Trotz dessen, dass ich durch den Raum schwebe, in der Luft tanze, mit mir eins werde und zugleich bin, höre ich ein fremdes Geräusch, das tief in mir drin ist. Ein Geräusch, das mich beständig begleitet, auf meinen Wegen, zu meinen Taten – es ist immer da und möchte nie selbst vergehen.

Er steht erneut an einer Stelle, schaut nach oben.

N: Erst, wenn ich mich entscheide, die Stille zu suchen, wenn ich mich darauf fokussiere und meine gesamte Energie in diesem Richtung lenke, dann passiert es, dass ich mich zu dieser Stille hinbewege. Das fremde Geräusch begleitet mich auf dem Weg dorthin, doch mit jeder Etappe, die ich auf meinem Weg zu Stille hinter mich bringe, erlange ich ein Stück mehr Ruhe und Gelassenheit.

Bewegt sich durch den Raum. Die Bewegungen werden fließender und auf ihre Art und Weise leiser.

N: Wenn ich mehr als die Hälfte der Strecke hinter mir habe, ist das fremde Geräusch so leise geworden, dass ich beginne, meine eigene Stimme, die tief in mir verborgen liegt, direkt neben der Stille, quasi an- und abgekoppelt zur gleichen Zeit, zu vernehmen. Erst als Gefühl, dass ich etwas Vertrautes höre, dann immer klarer und klarer, bis ich schließlich die innere Stimme sehr deutlich höre.

Er bleibt stehen und spricht mit seiner inneren Stimme. Diese wird in ganz kleinen Schritten lauter.

N: Sridayan! Sridayan! Sridayan! Es ist mein Mantra, meine innere Stimme, das Gefühl, mein Kompass in der Weite, der Weg aus den Irrgarten meiner Selbst! Ich muss nur dieser Stimme, diesem Wort folgen und ich finde meine Mitte, meine Stille. Sridayan! Sridayan! Sridayan…

Er wird langsam wieder leiser. Dann, plötzlich, geht ein Ruck durch seinen Körper und er wacht aus seiner Versunkenheit auf.

N: Es mag vermessen klingen, den Punkt, an dem ich meine Stille finde, dort zu verorten, wo dauerhaft ein Wort erklingt. Meine innere Stimme erklingt dort, wo meine Stille in mir selbst ist. Und schreit quasistumm Sridayan! Wie passt das zusammen? Diese Frage stelle ich mir nicht mehr, nachdem ich verstanden habe, dass der innere Kern, die innere Stille nichts mit der Vorstellung eines geräuschlosen Ortes ist, sondern dort, wo wir uns selbst in der Stille befinden. Bei manchen Menschen ist dort sogar ein heftiger Sturm zu finden – mein Sturm ist Sridayan! Sridayan! Sridayan!

Mit einem wissenden Nicken geht er ab.
Alle ab.