Bastian Kienitz: THE STOREHOUSE

Vergessen liegt in alten Kartonagen
vergilbt am Grau, dass sich erinnern will
erst war es still, dann hörten wir Licht krachen
nein, eine leere Dumpfheit war es, die

dazwischen Worte suchte, ein Geräusch
das etwas blechern und eintönig klingt
erwacht aus einem hohlen Farbenraum
der monochrom im Geisterhaften steht

nie wieder, hieß das Unscharf aus den Zweifeln
der Bruchstücke, die wie ein stummer Film
vorüberziehen und sich überschreiben

die alte Schreibmaschine macht klick klick
um aus dem Staub den Untergrund zu schlucken
der brach nach Lethe schmeckt im Morgenlicht…

Bastian Kienitz: Pleasantville II

früher: das Monochrom einer gelebten Wahrheit im Dezimalrausch der RÖHREN GLAS OBERFLÄCHE bis zum kleinsten Geräusch hinein auf Nu l l / T o n gestellt und heute: die bewegten Bilder von damals wie ein Déjà-vu aus alten Begebenheiten heraus. es war der Schnee. fällt leise, weil…

Bastian Kienitz: Neujahr

Gestern war er alt, heute ist er älter geworden und sehnt sich
nach den spitzen Zweigen im Wald, dem Anstrich der ihm eben
bei Laune umso bewusster wird. Die Stachelbeeren schmecken
grün sauer und jeder Riss auf seiner Haut liegt aufgebahrt auf
bleichen Knochen und jedes Weinglas, das er trinkt, erinnert ihn
an diese Zweige, in dem er die Kratzer in den Falten bewahrt.

Andi Scherzer: Konvolut

mitten unter den schachspielern im park
der blick auf mein handy
springer f5, dazwischen die erkenntnis:
mein mantel hat einen knopf verloren
läufer a4 schlägt bauer c6
mein display: 27 ungelesene nachrichten,
3 anrufe in abwesenheit
turm b8, grundreihenmatt


In der Stille jener lauen Nacht im Mai:
Das offene Garagentor,
klaffend greller Schlund.
Der eingeparkte Mitsubishi
in diesem aufdringlichen Licht.
Wie ein Schaukasten, wie Theater
unter den Platz genommenen Dingen
der Dunkelheit


Die Fliege an meiner Decke.
Bewegungslos, verharrt als
schwarzer Punkt.
Ich beobachte sie, Minuten, reglos.
Es wird dunkel, traumlose Nacht.


Die offenen Taxitüren
Für die letzten (Be-)
Trunkenen vorm Club
Tief in uns: die zerbröckelnde Nacht


06:30 uhr

an dunklen fassaden
erste erleuchtete fenster
noch nicht ganz festgeklebt


Der Faden Rauch
vom Schornstein aus
dem Himmel schon
angebunden.
Die Berge dahinter
wie eingefleischte
Schlangenbeschwörer.


Die Straßenlaternen.
Helle Fingerabdrücke
am Tatort
dieser großen Dunkelheit


der schatten glühend heißer sommertage
man sitzt darin wie in warteräumen
wartet auf ein kühles bier
auf was frittiertes
beim kartenspielen dran zu sein
man denkt an strandbar mit mojito
an einen sommerflirt
an alaska
während man schon zehn minuten auf der
siebten seite eines thrillers festhängt

sogar der himmel ist
zum komplizen degradiert
unter dem regime der sonne
und wolkenloser bläue bleibt ihm nur
die zweite geige und schweißtropfen zählen
man liegt herum, müde wie
ein gezähmtes tier
nimmt sich sogar urlaub dafür
genügt sich im schwitzen
nur die eisverkäufer über-
schlagen sich vor eifer


Die Reisekoffer im Gepäck-
regal über den Sitzen.
Sie passen viel zu gut zu den Reisenden
auf ihrem Platz am Zugfenster.
Die Alltäglichkeit der Gesichter,
so selbstverständlich wie ihr Reisepass.
Es ist fast schon egal, ob sie schön sind
oder unsympathisch oder
so legitim wie Cornflakes zum Frühstück.
Man müsste sich dazu eine Geschichte ausdenken,
die dem Gesicht einen Namen aufdrückt.

Und wenn man´s recht allgemein hält,
dann passt sie wahrscheinlich tatsächlich
zur Vita samt Kofferinhalt.
Macht einen das zum Zyniker,
oder ist es nur verständlich,
dass man nicht allein sein will damit,
immer zu wissen wo man aussteigt,
wie lang man noch am Bahnsteig steht
und mit welcher Straßenbahn man schließlich
vom Bahnhof weiterfährt?