Bastian Kienitz: UNTITLED I

blechern klingt der Sommer
hinter dem Schuppen
Flecken und Stroh die
Flimmern verstaubt und
trockene Insektenhüllen
welche sich in Spinnweben
verfangen gleichen einem
Traumfänger der lichtschwer
in der Mittagshitze ruht und
nach einem Luftbild
Ausschau hält als könnten
Nägel in der Mittagshitze
das kühle Regenwasser
rufen so schrill klingen die
Eisenteile wenn diese
raschelnd

aneinanderschlagen und in
dem ausgedörrten See die
toten Fische tanzen
sehen

Bastian Kienitz: 3 DEKADES OF DISSIDENT

(Blankosonett)

THE SUN scheint heute wieder schwarzlackiert
auf beiger Fläche Standardsatz Druck quer
zu deinen Lippen, die laut Lackrot schreien
als hielten wir den Atem an, inzwischen

vielleicht auch den der Erde, ihrer Kinder
zu denen wir letztendlich auch gehören
im Stoffgemisch aus Zeit- und Raumgefüge
und Mineral aus Wortstaub in den Sätzen

laut ausgesprochen könnte man glatt denken
dass dieser Mundraub, der vor deiner Haustür
stattfindet, gar nicht da ist: SCHLIESS DIE AUGEN!

und höre auch nicht mehr die lauten Vögel
Steckbrief: effects of global warming
wenn dir der Puls am Reiz dazwischenfunkt…

Bastian Kienitz: HELL YEAH, endlich gibt es Kriegsroboter

Blankosonett

HELL YEAH, der Bildschirm flackert, leises Rauschen
umgibt den Abend still im Kerzenschein
hast du den Song WE FUCKING DIE gehört
jetzt schlagen Funken lauthals in den Raum

zwei Kanal Ton mit der Tendenz zum Töten
SHOT COUNTER SHOT komm, lass es richtig knallen
bis dieses Wirkungsfeld beginnt zu bluten:
wir sind jetzt mitten in der Szenerie

es gibt ein Wort Maschinenparadigma
dass selbst dein Hirn wie ein Computer tickt
wenn wir die Taste Rot am Joystick drücken

dann läuft im Video der ROBOTS DAY
aus Regeln programmierter Schaukulisse:
wenn du kein Herz hast, kannst du Töten gehen…

Bastian Kienitz: Bücherwürmer

MAN SAGT, Bücherwürmer seien eine aussterbende Spezies
da es in naher Zukunft keine Bücher mehr gäbe & sich diese
Gattung also ihrem natürlichen Habitat entzogen in kürzester
Zeit laut evolutionärem Grundgedanken nicht neu orientieren
könnte & der Klimawechsel somit schwer beschädigt oder zumindest mit einer starken Aversion gegenüber unnatürlichen
Ausweichreservaten z.B. technologischen Gütern & somit
Gehalt also dem eigentlichen Inhalt nicht mehr folgen können,
Punkt.

Bastian Kienitz: NORMAL

Blankosonett

ist es normal, wenn du an Kanten stößt
die sich an Kanten stoßen, hinter denen
die Gleichung allenfalls Wert Null beträgt
um jede Abweichung von vornherein

den einen Längengrad fernab zu schieben
bestimmst du zunächst eine feste Zahl
und zollst dem Raum die Winkelperspektive
die dich viel weiter, tiefer fallen lässt

komm! hüpf mit mir in den Kaninchenbau
und folge A) the white light, rabbit
in seinen Unterschlupf, dem Spiegelsaal

wo wir uns in der Anderwelt befinden
da ist dein Stigma allenfalls normal
um bei der Norm des Gleichgewichts zu bleiben…

Bastian Kienitz

Bastian Kienitz, Jahrgang 1975. Dr. rerum naturalium. Seit 2012 freiberuflicher Fotograf, Filmer und Schreiber. 2006-2012 Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Promotionsstudent an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Institut für Zoologie und Neurobiologie. Dissertation: Motorisches Lernen in Drosophila melanogaster. 2001-2006 Studium der Neurobiologie und Genetik an der Julius-Maximilian-Universität Würzburg. 1996-1997 Teilnehmer der CDG am Austauschprogramm für junge Berufstätige zwischen dem Deutschen Bundestag und dem Amerikanischen Kongress.

Neben seinem Interesse für die Lyrik beschäftigt er sich intensiv mit den Grundlagen des Lebens, der Biologie und versucht Teile dieses Wissens in seine Werke mit einfließen zu lassen. Gleiches gilt für die digitale Fotografie »Momentaufnahmen in Wort und Bildform« die er seit 2008 betreibt. Als Promotionsstudent der Neurobiologie zog er 2007 nach Mainz, wo er noch heute lebt und schreibt. Bastian Kienitz ist Mitglied beim Bundesverband junger Autoren und Autorinnen e.V. (BvjA) und hat Lyrik, Prosa und Fotografien in verschiedenen Anthologien und Literaturzeitschriften veröffentlicht (u. a. in: Experimenta, Entwürfe, Kaskaden, Konzepte, Maulkorb und Versnetze). Zudem war Bastian Kienitz als Autor, Dichter und Fotograf in folgenden Ausstellungen, Preisverleihungen und Veranstaltungen präsent beziehungsweise erhielt dort Auszeichnungen und Anerkennungen:

  • 2014, Anerkennungspreis beim Wiener Werkstattpreis 2013 für Zappgedichte.
  • 2015, Finalist beim Kurzgeschichtenwettbewerb Zeilen.Lauf des Kulturfestivals Art.Experience der Stadt Baden mit der Kurzgeschichte Lovejoy.
  • 2015, Gruppenausstellung PHOTOGRAPHY NOW in der Brick Lane Gallery London.
  • 2016, Einzelausstellung UNKLARHEITEN im Gastfeld Bremen.
  • 2016, Ehrenpreis beim Kunstgeflechtpreis des gleichnamigen Kunstvereins für seine Fotografie Millennium.
  • 2018, einer der Gewinner des Literaturwettbewerbs Trixi im Morgenland mit dem Gedicht Am Anfang war das Wort sowie beim Lyrik-Wettbewerb des Vereins zur Förderung der Dichtung am Untermain e. V. mit dem Gedicht Unten am Main.
  • 2019, Gewinn der »Honorable Mention« bei den Monovision Photography Awards für des Bild Es regnet Kohle.
  • 2022, Gewinner des Rolf-Bossert-Gedächtnispreises sowie Nominierter beim Ulrich-Grasnick-Lyrikpreis.
  • 2023, Finalteilnahme beim Wiener Werkstattpreis für Fotografie sowie Gewinn der »Honorable Mention« bei den Neutral Density Awards mit dem Bild In Bewegung. Des Weiteren Preisträger der »Honorable Mention« bei den Chromatic Awards in der Kategorie Fotomanipulation/Amateur für das Bild Schnittmengen sowie Gewinner des ersten Preises in der Kategorie Architektur/Amateur mit dem Bild Yellow Feelings.
  • 2023, Einzelausstellung MOMENTE beim Literaturfestival Reschitza.
  • 2024, Gewinn der »Honorable Mention« bei den Annual Photography Awards 2023 mit dem Bild Blaue Blume.

Bastian Kienitz bei EBMD

Autor

Sprecher

Bastian Kienitz: PEACEMAKER

P E A C E M A K E R nannten sie ihn in der Schule den freundlichen Friedensstifter der mit bleihaltigen Worten um sich schießt eine für jeden pflegte dieser zu sagen und zielte mit Zeigefinger und Daumen auf alles was sich bewegte direkt in die Mitte das war zumindest sein Ziel ein Blattschuss punktgenau in das Herz der nächsten Generation die immer noch verwirrt vor dem Display hockt und jeden blutigen Kampf verliert


Anmerkung: Das Gedicht wurde von dem gleichnamigen Bild PEACEMAKER von K.R.H. Sonderborg inspiriert.

Bastian Kienitz: WAANSWU

Gestern, als wir gierig die Gezeiten
leckten, die wie Lava aus dem
Tropfstein brachen und uns in der Arche
wiederfanden WAANSWU nicht sicher
welches Tier es über den Rand
der Klippe schafft, die Welt
glich einem Friedhof
der verwaisten Kuscheltiere
die mit ihren Kulleraugen traurig
schauen.

Hast du schon einmal
den Friedhof der Kuscheltiere gesehen?

Also man gräbt ein Loch, mindestens
ein paar Meter tief, Filmangabe hier
P18 und nimmt ein wenig Löschkalk
trocken Korngröße extrafein
mal Moor der kleinen Götter
ich meine F*… was ich dort zu sehen bekam
das war definitiv ein Horrorfilm


Anmerkung: Das Gedicht wurde von dem gleichnamigen Bild WAANSWU von Jaroslav Serpan inspiriert.

Bastian Kienitz: INDUSTRIEBAUERN

(Blankosonett)

das Feld liegt brach und schweigt im engen Raum
dem Leben nach, das von den Wänden blättert
wie Scheinabraum der toten Außenkippe
mit dem Ergebnis schwerer Arbeitsgänge

sitzt man zu Tisch und faltet seine Griffel
im Glauben, dass jetzt alles besser wird
zum Erntedank gibt es ein Luftgemisch
mit Staub dosiert, damit die Augen brennen

jetzt zuckt der Nerv ganz aufgeregt und spastisch
mit der Tendenz sich weiter zu entfalten
wird Sitzfleisch tagelang gut angemästet

plus Tierversuch: Tablettenresistenzen
vom hohlen Geisteszustand ganz zu schweigen
dass sich so manche selbst für Götter halten…


Das Gedicht wurde von dem gleichnamigen Bild INDUSTRIEBAUERN von Georg Scholz inspiriert.

Bastian Kienitz: Wir sind alle Zeugen

es sind Bilder
welche dich verfolgen
festgebrannt

auf einem Negativ
aus digitalen
Zwischenräumen

gestochen scharf
in HD-Qualität

hier habt ihr
einen Ort wie jeden

plus Kain
der hat seinen Bruder
erschlagen

auf einem Feld
gleich hinterm Gebüsch

mit der verödeten
Gleichgültigkeit eines Males