Jörg Hilse: Mecklenburger Esoterik

Spiritualität,
dat is man schön!
Secht sich der Fiete.
Sieht ne Buddel Korn da stehn,
nimmt drei vier Schluck
und fühlt sich schnell,
man so richtig spirituell.

Doch Fietes Frau sofort, die Ruth,
die schimpt wenn Fiete supen tut.
Se keift und zetert ganz gehörig,
dat Fietes Hang zur Esoterik,
stets abrupt endet.
Wie, genau!
Durch Einspruch seiner Ehefrau.

Drum, Männer von Meck-Pomm bis Bayern
achtet bitte stets beim Feiern,
dat mit dem Alkohol,
dat bleibt im Rahmen!
Fürs Yin und Yang
mit Herzensdamen.

blumenleere: stabilität



immer wieder nieder, mit dieser buerokratie!

steht auch im letzten, eher uebergangsweise konzipierten quasi noterlass; ja, ueber zweihundert dicht bedruckte seiten, die buchstaben gleich emsig arbeitenden ameisen, & siebenhundertsiebundzwanzig aufeinander verweisende paragraphen sprechen eindeutig eine juristisch ausgesprochen versierte, maechtige sprache, wenngleich keine klare, da zum besseren verstaendnis etliche nachschlagewerke vonnoeten seien – o, du liest doch da nicht gar etwa kritik …? stellt sich halt blosz die frage, wohin wenden, mit einem entsprechend ausgefuellten antrag beziehungsweise woher, nur, kriegt man seinen fuers weitere prozedere dringend erforderlichen bescheid, naemlich tatsaechlich wirklich ausdruecklich berechtigt zu sein, die notwendigen formulare zu verlangen, um sich ganz hinten an der langen schlange anstellen zu duerfen, die in ein momentan leider nicht besetztes buero muendet, das normalerweise dafuer gedacht waere, anregungen fuer strukturelle modifikationen anzunehmen & dieselben daraufhin zur sicherheit erst mal ein paar jaehrchen im keller einzulagern, bis sie ueberarbeitet werden muessten, damit sie noch bedeutung zeitigen koennten.

immer wieder nieder, mit dieser bürokratie!

steht auch im letzten, eher übergangsweise konzipierten, quasi nooot-erlass: ja, über zweihundert dicht bedruckte seiten, die buchstaben gleich emsig arbeitenden ameisen und siebenhundertsiebundzwanzig aufeinander verweisende paragraphen sprechen eindeutig eine juristisch ausgesprochen versierte, mächtige sprache, wenngleich keine klare, da zum besseren verständnis etliche nachschlagewerke vonnöten seien.

oh.

du liest doch da nicht gar etwa kritik?

stellt sich halt bloß die frage wohin wenden mit einem entsprechend ausgefüllten antrag, beziehungsweise woher nur kriegt man seinen fürs weitere prozedere dringend erforderlichen bescheid, nämlich tatsächlich wirklich ausdrücklich berechtigt zu sein die notwendigen formulare zu verlangen, um sich ganz hinten an der langen schlange anstellen zu dürfen, die in ein momentan leider nicht besetztes büro mündet, das normalerweise dafür gedacht wäre, anregungen für strukturelle modifikationen anzunehmen und dieselben daraufhin zur sicherheit erst mal ein paar jährchen im keller einzulagern, bis sie überarbeitet werden müssten damit sie noch bedeutung zeitigen könnten.

Lea Schlenker: Böse Augen/Böse Gedichte

Ich wünsche mir einen Traum
der früher einmal stattfand
aus dem ich nie erwachte
der sich mit der Realität vermischte

Eine Realität
die mich an den Füssen packt
und an die Staubmäuse verfüttert

Eine Realität
die mich in der Vergangenheit leben liess
in der ich leider nur allzu oft
unaufmerksam war
und wo mir niemand zum Geburtstag gratuliert
weil ihr ihn alle vergessen habt

Meine Mutter trägt mich auf dem Arm
Ich schmolle
weil ich ahne
was das Leben für mich alles noch so im Ärmel hält
Bezwingerin der Staubmäuse des Lebens

Ich wünsche mir einen Traum
in dem böse Augen
böse Gedichte schreiben
netten Menschen
gute Dinge passieren
und reiche Menschen
ihre Polohemden abstreifen

Meine Mutter lädt alle ihre Schwestern zum Essen ein
und wir sind wie eine Familie
ich kann schreien und nichts bleibt mehr in der Brust stecken
kein neidischer Gedanke in meinen Adern

Ich tanze mit den Staubmäusen
und fresse
statt gefressen zu werden
Ich schmolle
denn ich weine nicht
Ich trauere nicht
Denn ich weiss wer ich bin
Merkur, Jupiter und Faszination Mond
Bezwingerin der Staubmäuse des Lebens

Wenn du genug
von Plattitüden hast
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Miriam Gil: Schwarze Wolken der Erinnerung

Hier ist keine Liebe – die Leichname der Engel tanzen auf den schwarzen Wolken der Erinnerung.
Sie rauchen Zigarre und wähnen sich ihren Männern nahe –
gefallene Tote auf den Hügeln des Krieges der Welt.

Schwarzer Dunst über den Schreien der Sehnsucht –
Kälte in den Federbetten der Knaben und quälende Angst in den Fratzen der Mädchen.
Am Horizont der Traurigkeit Blicke des Todes –
Raben verschwimmen im Dunkel der Nacht und legen ein Goldstück auf die Schiene der Vergänglichkeit.

Sie laben sich an einem faulen Apfel und erheben sich elegant in den Himmel der Brüder und verlorenen Väter.
Und Schwestern singen die Lieder der Liebe und fallen zu Boden der Leidenschaft in Umarmung mit Freunden und Seelen der auf Erden verweilenden Geister.
Frost in der Höhle der Schlange – unerträgliche Hitze in den Bergen der Diamantengräbern.

Stille bei den Liebenden. Sich Küssend und Wiegenden.

Stolze Frauen schreiten den Abgrund hinab – passen die Lanzen der Ungerechtigkeit ab und verschmelzen in ihrem hitzigen Traum mit dem in der blutbefleckten Abendsonne silbern-schimmerndem Meeresschaum.
Sich bekämpfende Völker erstarren vor der Schönheit der Jungfräulichkeit – legen die Waffen nieder und verfallen in besoffene gemeinsame Heiterkeit.

Stolz, Vorurteil und Eitelkeit ertrinken im Rausche der sanft auf dem Boden der Geschichte abgelegten Feigheit – Einigkeit über das Leben – nach Neuem streben.

Martin Knepper: Karneval ist es

Karneval ist es; würdebefreit göbelt die üppige Nachbarin,
kaum dass sie aus dem Taxi getorkelt morgens um drei,
jene, die sonsten an Wuchs und Zucht gleichet den streng
geschnitt’nen Hortensien, welche vereinzelt sich heben
aus dem granitenen Garten. Speichelfäden rinnen herab
auf das schellenverziert samtene Kleid, und siehe nur da:
Itzund stürzt sie, es ergreifet zu spät den fleischigen Arm
der nicht minder angeschlagene narrenbekappte Gatte.

Und zu Boden sinken sie beide, Raubgut des Dionys‘,
wo schon die schillernde Lache vom festlichen Mahle
gelagert: Ein ums andere Mal steigen und fallen sie nun
wie die Gestade des Meeres. Es zieren die edlen Gewänder
blitzenden Gemmen gleich würflige Reste der Speise,
und es lallen die Münder, der weislichen Rede enthoben.
Endlich quert das besudelte Paar die schützende Pforte
schlummert nun traumlos dem nächsten Gelage entgegen.

Margit Heumann: Nostalgisches Rezept

Man nehme seine frühen Erlebnisse,
und bestreiche sie mit einer Krem
aus Subjektivität und Idealisierung.
Nach einer üppigen Verjährungsfrist
von mehreren Dekaden
staple man sie hübsch übereinander
und ziere nach Belieben
mit geriebener Übertreibung,
schiftelig geschnittenen Floskeln
oder feinblättrigem Pathos.
Vor dem Servieren bestreue man sie
mit reichlich Zucker
der verklärenden Erinnerung.
Guten Appetit.

Miriam Gil: Ein weißes Blatt Papier

Mehr brauch ich nicht. Will ich nicht. Mag ich nicht.

Bist Du bei mir.
Und siehst mich so seltsam an, dass ich es nicht erklären kann!
Erinnerst Du Dich noch?
Das Blatt Papier ist nicht mehr weiß –

Es strahlt und schimmert in den schönsten Farben.
Rosa, Gold – Azurblau und ein bisschen schwarz mit sattem Gelb.
Ich mach es gerne.
Deine Augen und schöne Musik berühren mich dabei zärtlich aus der Ferne.
Dunkle, blaue Tinte verschwimmt dabei langsam auf einem nassen Fleck.

Du bist schon lange nicht mehr da,
bist nicht mehr an meiner Seite.

Bist nun woanders.
Ganz weit weg.

Blumenleere: patchwork & merge

von wie vielen personen nahmst du schablonen, um dich, peu à peu, mit ihnen auszumalen? gab es da nicht immer auch kraeftemessen, dominant versus rezessiv oder was? beziehungsweise: andrer ansatz, weg von den ideen der anthropozaene – plural, weil wir alle divergierend phantasieren. rein aus dir raus wolltest du formen, nur leider hatte dir irgendwas die idee vorweggenommen – das heiszt, deine welt, naemlich, ein bunt zwitscherndes chaos, mit ultraerschoepfender reibung versehen. zudem mit virulenten metaphern, zwischen sym- & antipathien, so traeumst du zwar bisweilen von neutralen idealen – deine realitaet, aber, chronisch zerrissen, bleibe auf ewig ein hin & ein her.