blumenleere: gehenna

denken wir uns doch mal rein, ins alte rom, oder vielleicht besser gleich gen antikes athen …? egal; gewiss duerfte zumindest sein, saemtliche moralischen vorstellungen von richtig & falsch waren damals noch nicht von christlicher scheinheiligkeit verseucht – das heiszt, es gab dementsprechend kein derartig konnotiertes suendenkonzept. & ja, sicherlich, es existierten wohl mehr bis minder konkrete vorstellungen davon, was als extrem verwerflich & damit – indes, wahrscheinlich teilweise eher personenbezogen – geahndet werden musste, allerdings fernab teuflischer versuchungen, unheilbar boeser seelen & des ansatzes, menschen via solch perverse methoden selbst in ihren eigenen waenden & sogar ihren traeumen zu verklaven zu suchen …
& heute? uns vermeintlich aufgeklaerte packt manchmal nach wie vor die furcht, wenn wir laut der kriterien eines widerwillig erfahrenen religionsunterrichts, des demselben zugrundeliegenden idiotischen dogmas & seiner unsere familien infiltrierenden hinterhaeltigen tentakel zu unkeusche gedanken hegen, waehrend wir die sexuellen uebergriffe ihre machtpositionen rigoros ausnutzender priesterhorden zwar murrend, doch hinnehmend, dass taeter maximal versetzt werden, einigermaszen devot akzeptieren, anstatt endlich – die eskapaden der wurzeln des black metal dahingehend formschoen imitierend – alle kirchen & sonstigen insbesondere katholischen unterdrueckungspalaeste endgueltig & irreversibel niederzubrennen & ergo zu eliminieren.

Carsten Stephan: Moralkolumnist Dr. Ehrmüller

Darf man sagen, dass die Kinder nerven?
Darf man schlipslos aufs Familienfest?
Darf man Tante Trudes Kunst verwerfen?
Darf ein Veggie, um nichts wegzuwerfen,
Knabbern einen fetten Eisbeinrest?

So klug fragen Kaufmann und Friseuse,
Das ist es, worum die Welt sich dreht:
Darf man? Ist es gut? Oder doch böse?
Ehrmüller hält in der Zeitung Lese,
Und man hofft und spricht ein Bittgebet.

Darf man über rote Ampeln gehen,
Wenn der Zug fährt und die Zeit verrinnt?
Keineswegs! Denn schnell ist es geschehen,
Schließlich geht man oben nur auf Zehen,
Dass man fällt. Natürlich auf ein Kind!

Darf man Penner aus dem Bahnhof jagen?
Ja! Er ist doch öffentlicher Raum.
Doch es bleibt ein leises Unbehagen:
Darf man denn zu Menschen Penner sagen?
Nein! Denn ohne Achtung geht es kaum.

Darf man mangels Geld für eine Reise
Karten schicken: Gruß aus Sansibar?
Darf man, wenn zu arm für Biopreise,
Fleisch verzehren? Nö! – Und vom Kakao,
Durch den sie einen ziehen, trinken? Klar!

Unser Doktor hegt Gewissensmaden
Und erteilt schon jahrelang Absolution.
Selten spricht er nur von Schurkenstaaten.
Darf man seinen Lebenstraum verraten?
Er in der Weltethikkommission.

Darf man alte Panzer ausrangieren,
Oder wäre das ein Umweltgau?
Darf man auf Raketen Hate Speech schmieren?
Darf man einen schönen Weltkrieg führen,
Wenn so Zeit fehlt für die Ehefrau?

Andii Weber: Gegen den Himmel

durchs leben
pardonisier ich mich
durch die arbeit
durch das gehölz
durch das gold
durch die krise
[kann auch geil sein]
ich habe netz
im siliziumthal
die erste gotteszell
ein großer [schalt]plan
hörst DU mich
ja, ich höre dich
hörst du denn MICH
///\///
ein funkloch
ubiquigroß ganz
urbi et orbi
[and the space between]
nur [be]rauschen
in der leitung
im kabuff
im mief
in der kirche
in der kälte
domini spielen
unter dem kreuz
schweigen
glasperlen und kränze
minende grafikkarten
brennbares zu notgeld
worte zu taten
staub zu staub
fleisch zu daten
nur mein job
böses[, all]zu böses
es schläft in mir
seit immer
mit der welt
werd ich dich versöhnen
ich absolutioniere dich
durch die mir
verliehene macht
bring sie ja zurück
sie gehört dir nicht
sondern DIR
komm zurück
in die spur
die hunde solln dich
zurückverbeißen
du schläfchen
an deinen platz
+ vercourier dich nicht
im kopf
im wald
im finstren thal
im vorsprung
im abgrund
im abspann
im radio
dreh es ab
mehr, ist da NICHTS
am ende
kein sinne für dich
in diesem

Ella:r Gülden: Leehrstellen

Die allermeisten der vorzeitig gealterten Jugendlichen stehen etwas verloren am Geländer, das die Hofeinfahrt begrenzt. Einige wenige lehnen lässig an der Hauswand des Gebäudeteils mit den Verwaltungsbüros. Dort waren alle schon mal, zwecks Papierkram. Ein gerade zugezogener Lamellenvorhang verhindert, dass sie sich beobachtet fühlen müssen. Das repräsentative Vordach wirft einen mehrere Meter langen Schatten. Es ist noch nicht ganz Sommer, aber warm genug, sich hier wohler zu fühlen als auf einer sonnenexponierten Fläche. Auch die Kiste Apfelschorle muss vor Sonneneinstrahlung geschützt werden. Manchmal gibt es auch Eistee oder Spezi, beides pro Flasche zwanzig Cent teurer. Aus dem Abfalleimer quellen Verpackungen von Fleischsalat und Kartoffelsalat, teils nicht ganz restentleert. Knapp die Hälfte raucht, ein Aschenbecher ist über dem Abfalleimer angebracht. Noch elf Minuten Mittagspause.

Die Doppelkeksrolle ist wider Erwarten bereits leer. Er wirft sie auf den Haufen hinter der Tür. Unter dem Rucksack mit dem kaputten Reißverschluss entdeckt er eine Pralinenschachtel. Schade, ohne Alkohol. Cappuccino- Trüffel, immerhin. Noch zwei drin. Bröckelig und schmecken fad, egal. Er will sich aufrichten und sieht schwarz. Er atmet tief durch und zieht sich an der Türklinke nach oben. Er muss raus, doch es ist schwer. Im Türrahmen hält er noch kurz inne. Weiter ins Bad. Endlich diesen Durst loswerden. Wasser, kaltes. Wohltuend. Er trinkt gierig aus der hohlen Hand. Hält den Kopf unter den Wasserstrahl. Heute ist kein schlechter Tag. Noch drei Bewerbungen.

Matt S. Bakausky: Der Müllfluencer

Er postet ein Foto von sich und einem Glas voller Zigarettenstummel. Jemand fragt, ob er die alle geraucht hat. Nein, hat er nicht, er sammelte sie ein auf der Straße. Wahrscheinlich möchte er darauf hinweisen, dass man Müll – und Kippen sind Müll – nicht einfach auf die Straße wirft. Denn sie verpesten das Grundwasser – bis zu 40 Liter.
Das Foto wird zum Hit auf Twitter, ehemals X und auch auf YouTube kommen Videos, in denen der Müllfluencer Müll einsammelt, gut an. Vielleicht achtet nur ein Mensch mehr darauf, was er mit dem Müll macht, lässt sich influencen, dann wäre doch schon etwas geschafft. Ich zum Beispiel habe jetzt immer einen Taschenaschenbecher dabei und werfe die Kippenstummel da rein. Das habe ich vom Müllfluencer gelernt. Früher schmiss ich sie auf die Straße, wenn kein Aschenbecher oder Mülleimer in der Nähe war. Jetzt nicht mehr. Aber alte Elektrogeräte schmeiße ich immer noch in die Pegnitz. Das schadet ja keinem. Der Müllfluencer erzählt, dass er keine Spritzen mehr einsammeln darf, obwohl er es vorsichtig gemacht hatte. Seine Freundin war damit nicht einverstanden. Aber er häkelt aus alten Toastpackungen eine Decke. Die unendliche Toastpackungendecke oder so. So gut kenne ich den Müllfluencer auch wieder nicht. Das Thema war doch Trash, oder? Und ja, das ist mir dazu eingefallen – weil Müll heißt ja Trash auf Englisch. Cool, oder?

Theobald Fuchs: Trash

Schockschwerenot! Mein Schwiegersohn ist ein Optimist!
Schon schweigt schwieriger Schon-Chirurg Jean Schweizer.
Schwör! Geschwätziges Schwarzwild zieht geschwind die Schwänze ein.
Schwiemu schwurbelt: Jemand schwächelt an der Schwelle zum Schwarzschweigen!
Schlagartig: die Schar schwüle Sprüche schwingende Schwiegerschwager schwelgt in schwierigen Schwarzmalereien.
So schwitzt kein Schweif, schwadronieren sie.
Ein Schwall Schwäne schwingt sich schwer schwanzwärts.
Und Schwuss!

Harald Kappel: Formatierung der Festplatte

das Erwachen
gegenüber
nach einer harten Nacht
hebt ein fetter Hund
schwankend das Bein
im grauen Licht
formatiert die schöne Nachbarin
die bunten Mülltonnen
erst nach Spektralfarben
dann nach Bouquet
in der verhassten Wäschespinne
fängt sich der Wind
in Plastiktüten
und Nylonstrümpfen
und ihr Rascheln
erzeugt eine seltsame Sprache
in mir
flüchtig

fehlt mir kurz das Ich

dann formatiere ich
die bunte Luft
den grauen Hund
die fette Nachbarin
die schöne Wäschespinne
die verhasste Nacht
schlüpfe
in die Nylonstrümpfe
stecke mich
in die Plastiktüte
und warte erneut auf
das Erwachen

Jörg Hilse: Cosplay

Manche Bewohner Leipzigs schütteln sicher den Kopf, wenn während der Buchmesse wieder so ein Trupp seltsam bunt gekleideter, teilweise recht aufwändig frisierter und geschminkter Gestalten aus dem Hauptbahnhof herauskommt , um in Bahn in Richtung Messegelände zu steigen.
Cosplayer sagt erklärend der eine, ach das ist doch alles Schrott meint der andere. Aber ist die ganze Sache wirklich nur Trash oder steckt nicht diese alte unauslöschliche Sehnsucht dahinter, jemand anders zu sein als man im Leben ist. Tut ein im Verein organisierter Modelleisenbahner, der natürlich nicht damit spielt( !), sondern Fahrbetrieb macht nicht irgendwo das Gleiche? Nur eben ohne Bahner-Uniform ?
Die Dienstbekleidung hat bei der Bahn übrigens die interne Abkürzung UBK und es gibt sogar eine vorgeschriebene Trageordnung.
Bei Victor Schuster befand sie sich seit kurzem im Kleiderschrank , denn er war neuerdings bei der DB angestellt, doch daneben hing auch etwas, das kaum jemand in seiner Garderobe vermuten würde. Der Kimono von Suguro Geto, einer Figur aus Victors Lieblings- Serie Jujutsu Kaisen, einer japanischen Manga- Trickfilm- Reihe. Schon als Kind war Victor einer von den Stillen gewesen, der viel las, um sich dann mit seinen Lego- Steinen eigene Welten zu erschaffen. Schließlich trat eines Tages ein Zauberlehrling auf den Buchmarkt, der den vom alten Goethe um unendliche Längen schlug. Ein Typ mit Nickelbrille und einer seltsamen Narbe auf der Stirn, erdacht von einer Frau die einmal Klassische Altertumswissenschaft an der Universität von Exeter studiert hatte. Er hieß Harry Potter. Und dessen Schulfreund Ron Weasley wurde zu Victor Schusters alter Ego. Er erinnerte sich nicht mehr, wann und zu welchem Anlass er das erste Kostüm bekam . Wohl aber an das Gefühl, als er es anzog. Er fühlte sich frei. Frei der zu sein, der man sein wollte, losgelöst von jeder Fessel, die die Regel der Normalität einem anlegten. Und die Freude daran blieb bis zum heutigen Tag. Ereignisse die andere begeisterten wie zum Beispiel die Bundesliga interessierten ihn nicht die Bohne. Heute Morgen rief allerdings wieder mal die Pflicht. Sein Wecker klingelte kurz vor 5 Uhr früh und er zog die Bahner Uniform an. Dann stieg er ins Auto, fuhr zum Bahnhof und meldete sich im Fahrmeister-Büro zum Schichtantritt für den Frühzug nach Brüssel. „ Morgen Victor “ sagte Karl, der dort hinter einem der beiden Computerbildschirme Dienst tat. „ Dein Restaurantleiter steigt übrigens erst in Köln zu, bis dahin bleibt das Bordbistro geschlossen, hast also erst mal Gastfahrt.“ „ O.K. sagte Victor und hörte wie Karl ihm noch „Gute Schicht“ zurief, als er die Tür schloss. Schnell noch einen Fünferpack Bonrollen mitnehmen, bevor die wieder alle sind, dachte Victor. Gesagt, Getan und kaum das sie im Rucksack verstaut waren machte er sich auf den Weg zum Gleis um in den ICE nach Brüssel zu steigen. Eine Stunde später, in Köln kamen seine zwei Kolleginnen und eine von beiden öffnete die Tür zur Bordküche. Victor sagte Hallo und eine der beiden fragte: „ Bist Du unser Stewart 3 ? Kannst Du den „ Am Platz Service“ für die erste Klasse übernehmen? „Ja, klar“ antwortete Victor, bereitete drinnen die Kaffeemaschine vor und bekam den üblichen Zettel mit dem Code zum Starten des Kassensystems. Währenddessen hatten zwei etwas eigentümlich aussehende Gäste im Restaurant Platz genommen. Der Erste war ein älterer Mann mit spitzem Vollbart in einer Art Kostüm das wohl aus dem Spätmittelalter stammte zu dem er eine weiße Halskrause trug. Einen Tisch weiter, saß ein schwarz gekleideter junger Japaner der eine runde sehr dunkle Sonnenbrille trug. Perfektes Outfit für die Figur von Saturo Gojo aus Juijutsu Kaisen dachte Victor als er zu dem Gast hinüber sah. Kurz darauf, der Zug hatte gerade Aachen verlassen und Victor kam mit ein paar Bestellungen aus der 1. Klasse zurück, als etwas völlig Unerwartetes passierte. Zuerst hörte er den entsetzen Aufschrei von einer seiner Kolleginnen aus der Bordküche, gefolgt vom Geräusch zu Boden fallenden Geschirrs. Während beide wie von Sinnen mit der Zugbegleiterin in Richtung Dienstabteil rannten um sich drinnen zu verbarrikadieren, sah Victor was sich gerade ereignet hatte. Der Kopf des spitzbärtigen Mannes lag, wie mit einem unsichtbaren Scharnier zur Seite geklappt, quer auf seiner Schulter. Und aus der völlig frei liegenden Halsöffnung heraus, ragte ein halbes Stück Schinken- Käse- Baguette, welches der unheimliche Gast mit Hilfe einer Gabel tiefer hinein zu schieben versuchte.
Erstaunt sah Victor zu und ihm dämmerte, wen er da möglicherweise vor sich hatte. Nachdem der seltsame Restaurantbesucher mit einer einzigen Handbewegung seinen Kopf wieder in die alte Position gebracht hatte, fragte Victor: „ Vielleicht noch etwas Tee, Sir Nicolas? Dann rutscht es besser.“ Sie kennen mich?“ fragte der Fremde.“ „ Ja, Sie sind Sir Nicolas de Mimsy Porpington, Hausgeist von Gryffindor aus der Zauberschule in Hogwarts.“ antwortete Victor. „ Es ist sehr freundlich von ihnen mich nicht mit diesem hässlichen Spitznamen „ Der fast kopflose Nick“ anzureden “ erwiderte Sir Nicolas. „ Ach ja, mein Schicksal“ klagte er dann. „ Nun hat mir doch neulich der gute Professor Filius Flitwick einen Zauberspruch verraten, wie ich trotz meiner Geisterexistenz Speisen zu mir nehmen kann. Und wieder funktioniert es nicht richtig. Wie Sie wissen ging ja schon meine Hinrichtung, übrigens ebenfalls wegen eines missglückten Zauberspruchs schief und mein Kopf wurde mir nicht komplett abgetrennt. Inzwischen erreichte der ICE ohne vorherige Ansage durch das Zugpersonal, den Bahnhof von Lüttich. Es war also nicht mehr weit bis Brüssel.
Victor klopfte schließlich an die Tür. „ Soll ich den Gast mit dem Schinken- Käse- Baguette abkassieren?“ fragte er dann. „ Mach was Du willst, sag uns einfach nur Bescheid wenn der gruselige Typ aussteigt“ hörte er die verängstigte Stimme seiner Restaurantleiterin von drinnen. O.K. antwortete Victor und staunte anschließend nicht schlecht, das die Kreditkarte der Gringott’s Bank problemlos auf seinem Kartenleser funktionierte. Fast pünktlich erreichte der Zug die Endstation Brüssel Midi und Sir Nicolas de Mimsy Porpington entschwebte in Richtung Eurostar nach London. Victor Schuster klopfte an die Tür vom Dienstabteil. „ Er ist weg, ich geh mal kurz raus auf den Bahnsteig“. „ Gottseidank, komm aber rechtzeitig wieder“ hieß es erleichtert von drinnen. Draußen stand auf einmal der schweigsame Japaner neben ihm. Seine dunkle Sonnenbrille hatte er gegen eine schwarze Augenbinde ausgetauscht. Und Victor hatte plötzlich die Gewissheit dass, auch er kein Cosplayer war.
„ Da Du gewusst hast wer er war, weißt Du bestimmt auch wer ich bin, nichtsdestotrotz hier ist meine Karte“ sagte der Fremde. Victor nahm sie an sich und stutzte dann doch.“ . „Saturo Gojo, Jujutsu Akademie Tokio“, stand in japanischen wie auch lateinischen Buchstaben auf der Visitenkarte. „ Was wollt ihr denn ausgerechnet von mir?“ fragte Victor gespannt . „ Ich hab einen Job für Dich“ antwortete ihm der junge Mann mit der Augenbinde.
„ Die Akademie sucht einen Gefahrenstufen- Analysten für europäische Fluchgeister und sonstige Phänomene. Wenn Du einverstanden bist, schreib einfach eine Mail an die Adresse auf der Rückseite der Karte. Das Flugticket schicken wir Dir dann.“ Einen Tag nach der Ankunft in Frankfurt schickte Victor die Mail nach Tokio und brach zwei Wochen später auf ins Land seiner Träume, Japan.
Jammerschade , finden manche seiner Kollegen bei der Bahn.

Carsten Stephan: Schweiß und Preis

Glosse

            Von der Decke bis zur Diele
            Muß der Schweiß herunter rinnen,
            Willst gelangen Du zum Ziele,
            Wohlverdienten Preis gewinnen.
                                Friederike Kempner

Woher kommt und wohin geht er?
Welches ist des Schweißes Richtung?
Davon kündet dir die Dichtung.
Fließt er grade oder dreht er,
Spritzt er achtundsiebzig Meter?
Ob im Nebel, ob am Nile,
Von dem Steiß geht er zur Schwiele,
Zu dem Krapfen, zu der Kröte,
Von dem Griesbrei bis zum Goethe,
Von der Decke bis zur Diele.

Aus der Achsel muss er fließen,
Er muss strömen, er muss schnellen,
Gleich den Niagarafällen,
In Fontänen aufwärts schießen,
Im Quartiere sich ergießen.
Ob bei Froste, ob bei Finnen,
Ob bei Flippfloppträgerinnen,
Er muss sprudeln, er muss sprützen,
Ja, zu ungeheuren Pfützen
Muss der Schweiß herunterrinnen.

Diese Flut musst du durchwaten,
Gar das gelbe Meer durchschwimmen,
Um die Zwecke zu erklimmen,
Gleich den Hanse- und Kroaten
Rudern zu den Resultaten.
Ob in Schweden, ob bei Schwüle,
Nimmer geht’s per Besenstiele,
Du musst schnorcheln, du musst schippern,
An den Kliffen, auf den Klippern,
Willst gelangen du zum Ziele.

Wird man dich mit Lorbeer schmücken
Für den Duft an allen Ecken?
Wird man dir die Füße schlecken?
Wird man Ehrennadeln zücken,
Preisen dich in Bühnenstücken?
Ob am Montag, ob zum Minnen,
Fünfzig Raubtierpflegerinnen
Werden schnurren, werden schnobern,
Konntest ja ihr Herz erobern,
Wohlverdienten Preis gewinnen.