Lea Schlenker: Heimweh

Über meinem Kopf braut sich ein Sturm zusammen
Ich habe gestern mit etwas Hilfe dreitausend Gedichte geschrieben
Auf einer Triumph die ich fast geschenkt gekriegt habe
Von meinem zweitliebsten Francesco
Ich erinnere mich als wäre es gestern gewesen
Denn heute morgen trafen wir uns am Genossenweg
Und dann wurde plötzlich alles Schwarz

In der Notaufnahme warte ich fast drei Stunden
Gegenüber sitzt ein Typ mit Tattoos im Gesicht und einem McDonalds Burger in der Hand
Er zwinkert mir zu und seine Freundin sieht aus als wolle sie mich verprügeln
Dieses Bern ist so ein Sammelbecken an Verrückten
Und ich bin ja auch nicht besser

Die Untersuchung lief eher unspektakulär ab
Ich bekam einen Ultraschall und die Oberärztin zeigte mir völlig verzückt den Embryo
Der Präsident der Wirtschaft steht auch neben ihr und meint
Dass ich jetzt leider weg bin vom Markt
Und bitte meine Stipendien zurückzahlen soll

Ich werde aus dem Krankenhaus entlassen und der Taxifahrer trägt keine Maske
Er lächelt schüttelt meine Hand und bietet mir eine Zigarre an
Dort wo der Taxameter sein sollte ist ein Cutter drin
Ich bin hin und weg von dieser entzückenden Kleinigkeit
Gebe ihm 50 Franken
Und steige im Rausch beim Monbijou aus

Ich male mir einen Sonnenaufgang
Aus den zwei Pfützen die am Boden liegen
Bald wird mich Eliana abholen
Bestimmt
Sie wird sagen
Komm wir fahren nach Zürich
Dort sind wir gross geworden
Also ich zumindest
Du bist ja noch ein Kind das nicht an den Kapitalismus glauben will und ernsthaft meint
Dass es mal mit dem Schreiben Geld verdienen kann
Auf dem Paradeplatz kann ich dir den Himmel zeigen
Wir ziehen ein Kokain von den Dächern und schauen zu wie die Welt untergeht
Ach Eliana
Wenn du mich nach dem Gottesdienst im ICF auf der Toilette fingern würdest
Dann wäre ich doch schon zufrieden

Daraus wird leider nichts
und es ist kalt und Sintflut im Juli
Die Bären brechen aus dem Park aus und schwimmen in der Aare bis zur Lorraine
Fressen im Becken die fetten Fische
Und verwandeln sich danach
In Nabokovs Schmetterlinge
Ich kämpfe an vorderster Front mit euchSchmetterlinge
Eine Linie in den Sand zu ziehen ist nicht einfach
denn mehr als oft ist sie verborgen
mit einer Zuckerschicht überzogen
und was weiss ich alles noch
Über meinem Kopf braut sich ein Sturm zusammen
Und ich gehe schlafen
Bevor wieder alles schwarz wird

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