Christian Knieps: Erstes Bild

Podcast version:

Webexklusive Version:

Adam und Eva sitzen mit dem Rücken gegen den Baum der Erkenntnis und chillen. Urplötzlich geht das Licht aus, und beide sitzen für eine Zeitlang im Dunkeln. Nur ein kleines Licht ist noch auf die beiden gerichtet.

Eva:

Gehst du mal nachsehen?

Adam genervt:

Wenn’s denn sein muss! Adam müht sich nach oben, geht hinter den Baum der Erkenntnis, werkelt. Dann kommt er zurück. Nichts! Ich glaube, die haben uns den Strom abgestellt!

Eva:

Diese gottverdammten Blutsauger! Sag mal, Adam, hast du denn auch die Stromrechnung bezahlt?

Adam:

Ich denke schon, Eva! Geht doch automatisch vom Konto ab! Aber warte. Kramt seinen Laptop hervor, den er aufklappt. Ich checke gerade mal meine E-Mails. Liest, sie beugt sich zu ihm herüber, um auf den Bildschirm zu schauen. Schau hier, die monatliche Abrechnung!

Eva:

Das ist nur die Rechnung! Wie aber sieht es mit unserem Konto aus?! Seitdem du das gemeinsame Haushaltskonto eingeführt hast, habe ich keinen Überblick mehr, was noch da drauf ist. Die Kontoauszüge, die ich immer holen gegangen bin, fand ich viel besser.

Adam:

Ach, Papperlapapp! Wer will sich schon Papier bei einer Bank holen gehen, wenn er chillig zu Hause einfach seinen Kontostand abrufen kann?!

Eva:

Dann zeig’ mal, wie es mit unserem Kontostand aussieht! Bestimmt ist der Dispo am Limit, und die Stromfirma konnte keine Kohle mehr abbuchen!

Adam hantierend:

Warte. Pause. Murmelnd. Wie war noch mal gleich mein Passwort?

Eva entsetzt:

Was? Sag bloß nicht, dass du das Passwort vergessen hast!

Adam:

Natürlich nicht! Aber es gibt mittlerweile so viele, dass ich mir nicht mehr sicher bin, welches ich für die Bank benutzt habe! Und wenn du drei Mal ein falsches eingibst, ist die Sache hinüber. Dann muss ich zur Bank gehen und das Konto entsperren lassen.

Eva unsicher:

Vielleicht ist unser Konto schon gesperrt, weil wir unseren Dispo gesprengt haben!

Adam:

Das kann ich mir nicht vorstellen. Überlegend. Mickeymouse123, Rotkäppchen234, Iltschi123»$%?.  

Eva:

Iltschi123»$%?? Wer kommt denn auch so ein seltsames Passwort?

Adam:

Ich glaube, dass ich mal ein Passwort anlegen wollte und dann mit der Stirn auf die Tastatur geknallt bin! Da war es dann gespeichert!

Eva:

Und wie? Adam macht eine Einschlafbewegung nach. Ah, verstehe. Du warst mal wieder solange vor dem Computer, dass dir die Augen zugefallen sind. Säuerlich. Kein Wunder, dass wir keinen Strom mehr haben!

Adam besänftigend:

Aber Engelchen!

Eva wütend:

Nenn mich nicht immer so wie die kleinen Biester, die überall herumfliegen und aussehen, als wären sie eine viel zu fette Hummel! Solche Kosenamen kannst du dir sparen! Da steh ich ja überhaupt nicht drauf!

Adam sich zu ihr hinüberbeugend:

Aber ein bisschen scharf macht es dich schon, wenn ich dich so nenne!

Eva ihn wegdrückend:

Na, sicher nicht! Schau lieber nach, wie es mit unserer Stromrechnung aussieht.

Adam indem er mehrere Sachen macht, murmelnd:

Ja, ja. Aha! So, so!

Eva:

Gleich setzt es was, wenn du nicht in normalen Sätzen mit mir reden kannst.

Adam:

Ich rede ja mit mir selbst und nicht…

Eva nimmt ihm den Laptop weg und legt ihn auf ihre Knie:

Hör auf mit dem dummen Gesülze und lass mich mal schauen! Aha, so, so, interessant.

Adam hinüberbeugend:

Was denn?

Eva:

Ach, nichts!

Adam:

Was, ach nichts! Was ist denn nun mit unserer Stromrechnung.

Eva klappt den Laptop zu:

Ist bezahlt!

Adam:

Wirklich? Na dann.

Eva:

Glaubst du mir etwa nicht?

Adam:

Doch, doch. Es war mir nur so, dass ich… Überlegt kurz. Wann haben sie denn abgebucht? Am fünfzehnten oder später?

Eva:

Am fünfzehnten!

Adam:

Sicher?

Eva:

Ganz sicher!

Adam:

Ganz, ganz sicher?

Eva:

Glaubst du mir etwa doch nicht?

Adam:

Du bist dir sicher, dass die Stromfirma am fünfzehnten dieses Monats abgebucht hat?

Eva unsicher werdend:

Hmm, ja.

Adam bestimmt:

Gib mir den Laptop!

Eva:

Wieso? Ist doch alles in Ordnung! Mit gespielter Säuerlichkeit. Vielleicht solltest du dich mal besser um die Stromfirma kümmern, dass die wieder den Strom anstellt!

Adam blickt sie eine Zeitlang an, entscheidet sich dann dafür aufzustehen. Er kramt aus seiner Jeans ein Handy, sucht im Menü, wählt. Mit dem Handy am Ohr wartend.

Adam:

Ja, Hallo! Hier ist Adam aus dem Paradies. Was? Hört zu. Ja, richtig, Adam aus dem Paradies. A wie Adam, D wie Döspaddel, A wie, wie, wie, ach ja, wie Adam und M wie Marie.

Eva nur mit einem halben Ohr hinhörend:

Wer bitte ist Marie?

Adam zischend:

Tsch, bist du jetzt wohl still, du alte eifersüchtige Kuh! Hört zu, wieder ins Handy. Nein, nein, ich meinte nicht Sie! Ich meinte meine Freundin! Hört zu. Ja, meine Lebenspartnerin. Hört zu. Genau, meine Lebensabschnittsgefährtin. Lacht, hört zu. Nein, die werde ich nicht mehr los! Dafür sind wir schon zu lange zusammen. Hört zu. Was, heiraten? Ach was, das geht doch heute auch ohne Schein. Hört zu. Wie meinen?! Kinder? Dazu kann ich jetzt nicht wirklich viel sagen, denn das Thema ist nicht so einfach. Sie hat zwar schon einen Kinderwunsch, aber…

Eva:

Ich und Kinder?! Stell dir das mal vor! Ich und ein kleines Baby? Wie soll ich das denn noch alles machen? Seitdem du im Haushalt keinen Handschlag mehr rührst und ich meine Vollzeitstelle…

Adam:

Sehen Sie, jetzt geht das Gezeter schon wieder los! Hört zu. Das kennen Sie auch mit ihrer Frau? Ja, kein Wunder, so sind die Frauen von heute! Dauernd stellen sie irgendwelche Anforderungen an uns Männer. Wollen dies und das! Überspitzt. Trenn die Wäsche! Wasch dir die Hände! Geh duschen, wenn du so geschwitzt hast! Wechselst du deine Unterhose auch täglich? Geh dich mal rasieren, ich bin doch nicht mit einem Bär zusammen! Seufzend. Alles nicht so einfach. Stille. Ach so, warum ich überhaupt anrufe?! Ich wollte mal fragen, warum Sie bei mir den Strom ausgeschaltet haben. Hört zu. Ja, kein Problem, den kann ich Ihnen noch mal geben. Adam aus dem Paradies. A wie Adam, D wie Döspaddel, A wie, wie, wie, ach ja, wie Adam und M wie Marie. Haben Sie’s? Hört zu. Super! Stille, Warten. Was? Wir haben die Rechnung nicht bezahlt? Das kann nicht sein! Ich habe doch eine Buchung auf meinem Konto! Am fünfzehnten! In seinem Rücken zieht Eva den Laptop näher an ihren Körper und hält ihn demonstrativ und schuldig fest. Adam wird säuerlich. Das ist mir egal! Dann schauen Sie bitte mal in Ihren Buchungen nach und schalten Sie den Strom wieder ein! Wir sind ehrbare Paradiesbewohner und, und, und… Hört zu. Alles klar! Tschüss! Legt auf, starrt kurz auf das Display des Handys, ehe er es in seine Hose wegpackt. Glaubt man es denn?! Zuerst texten die einen zu und machen einen auf nett, und dann reagieren die gleich angepisst, wenn man ihnen mal auf die Füße tritt. Sich zu Eva umdrehend, die weiterhin in der Haltung sitzt. Warte! Gib mir mal den Laptop!

Eva:

Warum denn?

Adam:

Ich muss nur mal was im Internet nachschauen!

Eva:

Und was?

Adam:

Welche Möglichkeiten es gibt, sich gegen solche fiesen Methoden zu wehren!

Eva:

Das kann ich ja auch raussuchen! Geh doch und leg dich was hin! Ich kann ja in der Zwischenzeit raussuchen, was du willst. Erzwungenes Lächeln, kaum überzeugend. Dennoch wankt Adam, Eva zuckersüß. Geh doch, Liebling! Du hattest bestimmt einen harten Tag im Paradies hinter dir! Ruh dich ein wenig aus!

Adam überlegt:

Ich denke, du hast Recht, mein Engelchen! Er geht zur Seite, als es an der Seite klopft. Nanu, wer mag das wohl sein?

Eva:

Keine Ahnung! Erwartest du noch Gäste?

Adam:

Nicht, dass ich wüsste. Geht zur Himmelspforte, wo er durch einen Spion hindurchblickt. Seltsam! Macht die Himmelspforte auf, die wie ein altes Schlosstor quietscht und knarrt. Hallo!?

Zusteller liest vom Paket ab:

Bin ich hier richtig im Paradies? Ich habe ein Paket für Eva aus dem Paradies!

Adam schreiend:

Eva! Für dich!

Eva kommt herbeigelaufen.

Eva:

Für mich? Sieht den Paketboten. Ach, du grüne Neune!

Adam:

Was ist denn? Ist das nicht für dich?

Eva stammelnd:

Schon! Ich habe nur… habe nur…

Adam:

Was ist mit dir los?

Eva:

Ach nichts, Adam! Ich habe ja nichts bestellt! Das muss mir einer unserer Freunde geschickt haben!

Zusteller:

Nein, das ist von einem Modehaus, und…

Eva streng zischend:

Tsch! Zu Adam. Alles in bester Ordnung, Engelchen. Geh du nur und leg dich ein wenig aufs Ohr! Ich regel’ das hier! Ist bestimmt was von Klara!

Adam verwundert:

Wer ist denn Klara?

Eva unsicher:

Ach weißt du, eine der Cherubim!

Adam:

Welche denn? Die mit dem Pferdearsch?

Eva:

Adam! Wie kannst du nur sagen, dass Klara einen Pferdearsch hat!

Adam:

Na immerhin ist sie doch halsabwärts ein Pferd! Wenn die keinen normalen Kopf und die winzigen Flügelchen hätte, dann wäre sie sicherlich kaum von einem Muli zu unterscheiden!

Eva donnernd:

Adam! Jetzt ist aber gut! Die Klara so zu beleidigen! Und dann auch noch vor fremden Menschen! Jetzt geh endlich und leg dich hin!

Adam blickt vom Zusteller zu Eva, zum Paket und zu Eva zurück, unschlüssig:

Na gut, wie du meinst!

Adam geht langsam in die andere Richtung ab. Eva wartet, bis Adam außer Hörreichweite ist.

Eva böse zum Zusteller:

Ich weiß, dass Sie neu sind! Aber hat Ihnen Ihr Kollege nicht gesagt, dass Sie auf keinen Fall ein Paket zustellen dürfen, wenn Adam da ist!

Zusteller:

Aber gnädige Frau, wie soll ich denn wissen, dass…

Eva zeigt außerhalb der Pforte:

Sehen Sie da draußen die Blume auf der Terrasse stehen? Die räume ich immer weg, wenn Adam weg ist, und Sie zustellen dürfen. Also: Blume da, keine Zustellung, Blume weg, Adam weg und… Wartet auf eine Antwort, aber der Zusteller scheint verwirrt, seufzend. Dann können Sie zustellen!

Zusteller:

Das habe ich jetzt nicht verstanden. Also, wenn die Blume dasteht, ist Adam weg und…

Eva sauer:

Nein, nein! Merken Sie sich einfach nur, dass Sie keine Pakete zustellen dürfen, wenn die Blume auf der Terrasse steht!

Zusteller:

Also keine Pakete, wenn die Blume da steht!

Eva glücklich:

Richtig! Sie haben es verstanden. Dreht sich um. Warten Sie! Greift zu ihrer Handtasche, die neben der Himmelspforte auf einem Beistelltischchen liegt. Hier, haben Sie ein kleines Trinkgeld für Ihre Verschwiegenheit. Oberlehrerhaft. Aber bloß keine Zigaretten oder Alkohol davon kaufen!

Zusteller entrüstet:

Nie würde ich so etwas tun, gnädiges Fräulein!

Eva:

Dann ist ja gut!

Zusteller:

Tschüss, dann!

Eva die Pforte zumachend:

Tschüssi! Und daran denken: Blume auf Terrasse – keine Pakete! Eva macht die Himmelspforte zu und atmet tief durch. Uff, das war knapp. Wenn Adam wüsste, dass wir die Stromrechnung nicht bezahlt haben, weil der Dispo an seiner Grenze ist, dann reißt er mir bestimmt den Kopf ab. Schaut auf das Paket in ihren Händen und lächelt. Auf diesen Parforceritt habe ich jetzt wohl eine kleine Aufmerksamkeit verdient! Ob die neuen Lederstiefel auch an meinen Waden so gut aussehen werden wie bei den Engelchen im Katalog? Diese Engelsflittchen haben ja schon ziemlich stramme Waden, da weiß ich nicht, ob die nicht sogar ein wenig zu weit sein könnten! Und dann noch welche ohne Schnalle! Indem sie abgeht und im einem Nebenraum verschwindet. Da muss schon alles passen!

Eva geht ab. Alle ab.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert